Jetzt ist es offiziell: Zürich ist bei den Unternehmenssteuern neu der teuerste Kanton – sogar Bern ist besser Jedes vierte Unternehmen überlegt sich wegen der hohen Steuern einen Wegzug aus dem Kanton.

Jedes vierte Unternehmen überlegt sich wegen der hohen Steuern einen Wegzug aus dem Kanton.

Zürich bietet eine hohe Lebensqualität und verlangt hohe Steuern. (Foto: Simon Tanner / NZZ)

Der Kanton Zürich ist für Unternehmen teuer. Hier werden die höchsten Löhne der Schweiz bezahlt, und hier fallen für einen Standort an Premiumlage auch Premiummieten an.

Während andere Kantone ihre Standortnachteile ausgleichen, indem sie wenigstens ein besonders vorteilhaftes Steuerklima bieten, kennt Zürich auch in dieser Beziehung kein Erbarmen. Der Kanton ist bei den Unternehmenssteuern neu sogar offiziell am teuersten. Dies hat die Kantonsregierung am Dienstag mitgeteilt. Grundlage ist die neue Ausgabe des Zürcher Steuerbelastungsmonitors des Forschungsinstituts BAK Economics.

Bislang konnte man sich in der Steuerverwaltung wenigstens damit trösten, dass Bern noch mehr verlangte. Doch der Berner Bär hat die rote Laterne an den Zürcher Löwen weitergereicht. Bern hat seinen kantonalen Steuerfuss gesenkt und Zürich damit überholt. Zürich hat seinen Steuerfuss zwar auch reduziert, aber nicht im gleichen Umfang wie die Berner.

Der Absturz auf den letzten Platz ist der Tiefpunkt einer Entwicklung, die seit Jahren anhält. Seit 2006 hat der Kanton Zürich im Steuerranking 13 Plätze eingebüsst, weil andere Kantone sich beweglicher gezeigt haben.

Laut der Regierung ist die Belastung nicht nur in Tiefsteuerkantonen wie Zug und Schwyz deutlich geringer, sondern auch in Wirtschaftskantonen wie Basel-Stadt, Genf und der Waadt. Dies, so halten die Autoren von BAK Economics in ihrem Steuerranking fest, ist gerade bei der Ansiedlung von Unternehmen ein Problem für Zürich.

Zürich hat dafür andere Vorteile

Das Ranking ist mit gewissen Einschränkungen zu lesen. Erstens verbuchen längstens nicht alle Unternehmen nennenswerte Gewinne. Gerade für KMU sind Faktoren wie Löhne und Mieten und Einkaufskosten oft bedeutender als die Abgabe auf dem Gewinn.

Zweitens gibt es Möglichkeiten, die Steuerbelastung zu senken, etwa über Abzüge für Forschung und Entwicklung oder mit der Patentbox. Ausserdem weist BAK Economics darauf hin, dass es für Unternehmen mehr Standortfaktoren gibt als nur Steuern, etwa die Infrastruktur oder die Verfügbarkeit von Fachkräften. Und gerade hier kann Zürich punkten, wie etwa die jüngsten Ansiedlungen von Tech-Unternehmen zeigen, welche die Nähe zur ETH suchen.

Drittens gibt es grosse Unterschiede zwischen einzelnen Gemeinden, der Kanton Zürich ist steuerlich also nicht überall gleich abstossend. Allerdings ist gerade die Stadt Zürich ein teures Pflaster, sie ist von allen Kantonshauptorten der teuerste.

Bloss weg von hier

Auch wenn es Entlastungen und Einschränkungen gibt, lässt es sich nicht wegdiskutieren, dass die Zürcher Steuern für Unternehmen ein Problem sind. In einer Umfrage des kantonalen Amts für Wirtschaft vom Juni gab fast jeder fünfte Firmenverantwortliche an, mit dem Standort Zürich eher oder gar nicht zufrieden zu sein. An der Umfrage haben rund 400 Unternehmen teilgenommen.

Bei den negativen Standortfaktoren stachen die Faktoren Steuern und Kostenumfeld hervor. Auf die Frage, welche Punkte bei der Gründung eines Unternehmens heute gegen den Kanton Zürich sprächen, gaben 90 Prozent das Kostenumfeld an. 64 Prozent erwähnten die hohen Steuern.

Den politisch Verantwortlichen besonders zu denken geben muss eine weitere Erkenntnis aus der Umfrage: 27 Prozent, also rund ein Viertel der befragten Unternehmen, haben in den letzten fünf Jahren eine Standortverlagerung in Betracht gezogen oder planen künftig einen Wegzug. Der Hauptgrund dafür ist die hohe Steuerbelastung.

Diese ist allerdings politisch so gewollt und von der höchsten Instanz, den Stimmbürgern, gerade erst bestätigt worden. Am 18. Mai hatte es das Zürcher Stimmvolk in der Hand, die Unternehmenssteuern zu senken und so dem Kanton eine vorteilhaftere Position im Standortwettbewerb zu verschaffen. Doch die Vorlage scheiterte mit einem Nein-Anteil von 54,5 Prozent. Nicht nur die linken Städte, welche Einnahmenausfälle befürchtet hatten, lehnten die Steuersenkung ab. Auch konservative Landgemeinden sagten Nein.

Finanzdirektor Ernst Stocker: «Der Spielraum ist klein»

Claudio Zihlmann, der Fraktionschef der FDP im Kantonsrat, sagt: «Es ist eine Katastrophe. Die Auswirkungen der hohen Steuern werden mittel- und langfristig deutlich spürbar sein. Wenn Unternehmen abwandern, dann verlieren wir Arbeitsplätze und Einnahmen. Und dann haben wir ein ernsthaftes Problem.»

Es entbehre nicht einer gewissen Ironie und es sei peinlich, dass ausgerechnet der Beamtenkanton Bern jetzt die besseren steuerlichen Rahmenbedingungen biete als der Wirtschaftskanton Zürich.

Der SVP-Fraktionschef Tobias Weidmann ergänzt: «Dass Zürich auf dem letzten Platz liegt, sollte uns alle wachrütteln. Heute mögen wir noch von einer robusten Wirtschaft profitieren. Aber in zehn Jahren werden wir uns fragen müssen, wie wir es so weit kommen liessen – und warum Zürich an Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität verloren hat. »

Raphaël Tschanz, der Direktor der Zürcher Handelskammer, sagt: «Zürich erwirtschaftet über 20 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung, verliert aber zunehmend an Attraktivität. Seit Jahren ziehen mehr Unternehmen aus dem Kanton weg, als sich neu ansiedeln. In den letzten sieben Jahren hat Zürich netto über 1000 Firmen verloren.» Ohne Korrekturen drohten weitere Abwanderungen.

Für den Regierungsrat, für die bürgerlichen Parteien und die Wirtschaftsverbände ist grundsätzlich unbestritten, dass der Kanton Zürich sich gerade bei den Unternehmenssteuern verbessern muss. Doch das ist einfacher gesagt als getan.

«Der Spielraum ist klein», sagt der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP). «Vor der Volksabstimmung über die Senkung der Unternehmenssteuern im Mai hatten wir klar darauf hingewiesen, dass Handlungsbedarf bestehe. Doch das Volk hat deutlich gemacht, dass es von einer Reduktion nichts wissen will.» Dieser Entscheid sei zu akzeptieren, der Kanton könne nicht zwei Monate später einen neuen Anlauf präsentieren.

Gleichzeitig sei die Finanzlage des Kantons nach wie vor angespannt, zumal auch das Sparprogramm des Bundes die Kantone treffen werde, sagt Stocker. «Ausserdem trägt Zürich im Bildungs- und Gesundheitsbereich die Lasten anderer Kantone, das macht es besonders anspruchsvoll.»

Bei den Budgetberatungen im Dezember wird das Kantonsparlament auch den Steuerfuss beschliessen. Stocker sagt, er rechne mit Anträgen aus dem Kantonsrat für eine Reduktion um 1 bis 2 Prozentpunkte. «Ob diese Anträge mehrheitsfähig sind, werden wir sehen.»

Wer nicht Millionär ist, kommt gut weg

Steuerlich besser sieht es im Kanton Zürich für die natürlichen Personen aus, also für Ehepaare und Einzelpersonen. Bei der Einkommensbesteuerung liegt Zürich im Kantonsranking auf dem 13. Platz, sprich im Mittelfeld. Im Vergleich zum Vorjahr hat Zürich sogar einen Rang gutgemacht. Noch vor sechs Jahren stand der Kanton allerdings auf Platz 9.

Bei den Vermögenssteuern ist das Resultat durchzogen. Der Kanton Zürich liegt auf Rang 11 und ist damit eine Position schlechter als im Vorjahr. Für Vermögen von unter 1 Million Franken, also für den weitaus grössten Teil der Steuerzahler, ist der Kanton attraktiv. Bei höheren Werten kann Zürich aber ebenfalls nicht mit anderen Standorten mithalten. Ab etwa 5 Millionen Franken Vermögen werden alle Nachbarkantone günstiger.

Gerade für erfolgreiche Unternehmer ist das ein schlechtes Signal: Wenn sie sich sowohl mit ihrem Unternehmen als auch privat im Kanton Zürich niederlassen, werden sie steuerlich gleich doppelt bestraft.

Zeno Geisseler, «Neue Zürcher Zeitung»

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