NZZ-KMU-Barometer: Firmen sind verunsichert wie seit Pandemiezeiten nicht mehr Einmal jährlich erhebt die NZZ die Stimmung unter am Swiss Economic Forum teilnehmenden Firmen. Dieses Jahr erwartet eine Mehrheit deutlich eingetrübte Bedingungen und höhere Kosten. Investitionen werden zurückgestellt.

Einmal jährlich erhebt die NZZ die Stimmung unter am Swiss Economic Forum teilnehmenden Firmen. Dieses Jahr erwartet eine Mehrheit deutlich eingetrübte Bedingungen und höhere Kosten. Investitionen werden zurückgestellt.

International wettbewerbsfähig dank Präzision, Qualität und Innovation: Die Schweizer KMU pflegen ihre Stärken, sehen sich aber mit ungewöhnlich widrigen Rahmenbedingungen konfrontiert. (Foto: Christopher Burns auf Unsplash)

Unternehmer sind in der Regel optimistische Menschen. Seit die NZZ vor fünf Jahren begann, mit dem KMU-Barometer die Erwartungen und die Stimmung unter den Verantwortlichen von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU mit weniger als 250 Mitarbeitern) zu erheben, erwarten diese Jahr für Jahr Verschlechterungen bei den lokalen Rahmenbedingungen und im Wirtschaften mit dem Ausland.

Dennoch gehen sie mit ebensolcher Regelmässigkeit davon aus, dass es ihnen wieder gelingen wird, ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Situation zu stärken. Tatsächlich scheint sich dies bei den meisten im Nachhinein auch zu bewahrheiten. Die Fähigkeit, sich gerade auch in schwierigen Zeiten fit zu halten und immer wieder neu zu erfinden, ist allem Anschein nach ein zentraler Pfeiler des schweizerischen Wirtschaftsmodells.

Politik der USA überrascht und verunsichert

Es sind deshalb auch weniger die Erwartungen an sich als deren Veränderungen, die viel aussagen über das Umfeld, in dem sich die schweizerische KMU-Wirtschaft zurechtfinden muss. Anders als noch zu Jahresbeginn von den meisten erwartet, hat die neue US-Regierung unter Donald Trump dieses Umfeld mit ihrer überraschend konfrontativen Zollpolitik deutlich verschlechtert, wie die neuste, im April durchgeführte Umfrage unter insgesamt gut 500 Teilnehmern des in Interlaken stattfindenden Swiss Economic Forum (SEF) zeigt.

Der Gesamtindex des Barometers ist ins Negative gekippt und mit einem Wert von –6,3 um 7,9 Indexpunkte geringer ausgefallen als 2024. Das ist der tiefste Wert seit Erhebungsbeginn 2021 (wobei das Barometer im ersten Jahr noch etwas anders berechnet wurde).

Die Indexwerte ergeben sich aus den Anteilen und der Stärke der erwarteten Veränderungen, wobei die Werte theoretisch zwischen 100 (alle erwarten ausnahmslos eine starke Verbesserung) und –100 (alle erwarten ebenso geeint eine starke Verschlechterung) schwanken können. Ein Gesamtindex von –6,3 lässt somit erwarten, dass sich die Situation in der Schweizer Wirtschaft in den nächsten zwölf Monaten spürbar, aber nicht unbedingt dramatisch verschlechtern wird.

Die KMU gehen 2025 davon aus, dass sie im Wirtschaften mit dem Ausland mit Verschlechterungen werden umgehen müssen wie zuletzt mit den Lieferkettenproblemen zum Ende der Corona-Pandemie. Von den Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort Schweiz und damit der Politik erwarten sie kaum Unterstützung. 49 Prozent der KMU rechnen mit Verschlechterungen, nur 9 Prozent erwarten Verbesserungen. Damit sind sie sogar noch etwas optimistischer als die Grossunternehmen. Unter diesen rechnen 60 Prozent mit Verschlechterungen.

Grösste Sorge der KMU bleiben die gesetzlichen Regulierungen. Hier erwartet über die Hälfte in den nächsten zwölf Monaten weitere Verschlechterungen, während nur gerade 4 Prozent von Verbesserungen ausgehen. Aber auch bei den Lieferketten und der Währungssituation und natürlich beim Marktzugang befürchten sie Verschlechterungen wie seit der Pandemie nicht mehr.

«Die KMU blicken mit Skepsis auf die Welt – aber mit Vertrauen auf sich selbst. Diese psychologische Spannung zwischen Kontrollverlust und Selbstwirksamkeit prägt derzeit die Stimmung in der Schweizer Wirtschaft», erklärt dazu Christian Fichter, Forschungsleiter bei der Kalaidos-Fachhochschule, die das KMU-Barometer zusammen mit der NZZ erstellt hat.

Allerdings ist der gesunkene Indexwert für 2025 auch darauf zurückzuführen, dass die eigenen Fähigkeiten nun etwas weniger optimistisch beurteilt werden als in den Vorjahren. Auch da sehen Firmen mit mehr als 250 Angestellten ihre eigene Lage pessimistischer als KMU.

Auswirkungen bereits spürbar

Gefragt nach einer Rangierung der für sie relevantesten politischen, geopolitischen und makroökonomischen Sorgen, zählen zwei Drittel die internationalen Spannungen, ausgehend von den USA, zu ihren drei grössten. An zweiter Stelle folgt mit 44 Prozent das immer noch unklare Verhältnis der Schweiz zur EU und an dritter Stelle mit 36 Prozent neu der Zusammenhalt Europas. Kaum mehr schlaflose Nächte bereiten den Schweizer Unternehmensverantwortlichen hingegen die globale Mindeststeuer oder das Netto-Null-Emissionsziel.

59 Prozent der befragten Firmen gaben an, dass sich ihre Wachstumsaussichten aufgrund der Umwälzungen in den USA deutlich oder eher negativ verändert hätten.

Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Befragung wenige Tage nach Verkündung von Donald Trumps sogenannt «reziproken» Zöllen startete. Zwei Drittel der befragten Schweizer Firmen rechnen damit, dass sich ihr Einkauf verteuert, und ein Drittel erklärt, sie seien bereits mit schwierigeren Bedingungen beim Einkauf konfrontiert. Gut die Hälfte der Firmen, die ihre Produkte ins Ausland exportieren, berichtet zudem, sie nähmen bereits Erschwernisse beim Export wahr.

Investitionen zurückstellen – Lieferketten überprüfen

Von den Firmen, die mit dem Ausland geschäften, wollen 43 Prozent die Zollaufschläge auf die Endpreise überwälzen. 31 Prozent gehen davon aus, dass diese ihre Margen schmälern werden, und 32 Prozent wollen ihre Lieferketten anpassen.

Der kurzfristig wichtigste Faktor für die eingetrübten Wachstumsaussichten ist aber die herrschende allgemeine Unsicherheit. Volle 20,4 Prozent der Firmen gaben im April an, Investitionsentscheidungen deswegen zurückgestellt zu haben, und nur 5,5 Prozent wollten Investitionen beschleunigen.

Vielen Firmen ist durch den Zollkrieg offensichtlich bewusst geworden, dass geopolitische Risiken nicht nur im China-Geschäft lauern. Sie ordnen ihre Abhängigkeit vom in den vergangenen Jahren am schnellsten wachsenden Absatzmarkt USA neu ein. 38 Prozent der Befragten wollen die Zusammenarbeit mit amerikanischen Firmen neu beurteilen. Das Resultat wird wohl entscheidend davon abhängen, ob und wie schnell der Handelsdisput gelöst wird. 43 Prozent erklären, ihre Firma sei durch die Abhängigkeit von amerikanischen Techdienstleistungen mehr oder weniger bedroht. Allerdings sieht der überwiegende Teil wenig Möglichkeiten, sich davor zu schützen. Nur 9 Prozent der Antwortenden wollen Änderungen vornehmen.

Geopolitik wird prägendere Rahmenbedingung

Sowohl bei den KMU wie bei den grösseren Unternehmen sind je 88 Prozent der Firmenverantwortlichen der Ansicht, dass sie wegen der geopolitischen Spannungen zusätzliche IT-Sicherheits-Massnahmen ergreifen müssen. 81 Prozent gehen davon aus, dass sie wegen der geopolitischen Entwicklungen zusätzlichen bürokratischen Aufwand werden bewältigen müssen. Und ebenfalls vier Fünftel erwarten, dass im Zeichen der Spannungen künftig vermehrt Angebote von einheimischen und europäischen Anbietern gefragt sein werden. Wo sich ein Problem auftut, sieht ein guter Unternehmer auch eine Chance.

Interessanterweise spielte die Geopolitik in der offenen Frage «Welche Themen werden Ihr Unternehmen in den nächsten drei Jahren besonders beschäftigen?» eine untergeordnete Rolle. Auch in diesem Jahr wurde wieder die künstliche Intelligenz am meisten genannt, vor dem Fachkräftemangel und der Digitalisierung. Die Geopolitik wird offensichtlich eher als abstrakte Rahmenbedingung empfunden. Das steht in auffälligem Kontrast dazu, dass die Firmenverantwortlichen grössere Änderungen in der Bedeutung der Absatzmärkte erwarten.

54 Prozent der KMU und 41 Prozent der Grossunternehmen gehen nun davon aus, dass die USA als Absatzmarkt weniger wichtig werden. 63 Prozent der KMU und 49 Prozent der Grossunternehmen erwarten dafür, dass Europa an Bedeutung gewinnen wird. 39 Prozent der KMU, die ins Ausland exportieren, und volle 47 Prozent der Grossunternehmen sehen schliesslich Südostasien als Wachstumsmarkt. Bei China halten sich diejenigen, die einen Bedeutungsverlust, und diejenigen, die eine Bedeutungszunahme erwarten, ungefähr die Waage. Auch bei den Lieferketten gehen die Schweizer Firmen von einer Bedeutungsverschiebung nach Europa und Südostasien aus.

Insgesamt zeigt das diesjährige KMU-Barometer somit vor allem eines: Die Verunsicherung ist gross, und die geopolitischen Entwicklungen setzen vieles in Bewegung. Damit die Wirtschaft in der Schweiz und global wieder Tritt fassen kann, wäre jetzt eine Deeskalation im Handelsstreit zu wünschen.

Peter A. Fischer, «Neue Zürcher Zeitung»

Alles zum SEF 2025

Zum 27. Mal bildet das Swiss Economic Forum (SEF) in Interlaken am 5. und 6. Juni 2025 die Bühne für den Dialog zwischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Hier geht’s zum Themendossier auf nzz.ch.

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