Dem Kanton Zürich laufen die Firmen davon, jetzt sollen die Steuern gesenkt werden – doch es gibt bereits Widerstand Die Städte Zürich und Winterthur befürchten Ausfälle. Die Grünen haben ernsthaft Angst davor, dass neue Unternehmen angelockt werden könnten, die rentabel sind und gute Löhne bezahlen.

Die Städte Zürich und Winterthur befürchten Ausfälle. Die Grünen haben ernsthaft Angst davor, dass neue Unternehmen angelockt werden könnten, die rentabel sind und gute Löhne bezahlen.

(Bild: Patrick Federi auf Unsplash)

Der Kanton Zürich hat vier fundamentale, hausgemachte Probleme mit seinen Firmen:

  • Erstens ist Zürich für Unternehmen steuerlich der schlimmste Kanton überhaupt. Er liegt bei der Reingewinn- und Kapitalbelastung auf dem 26. und letzten Platz. Selbst Kantone wie Bern oder Jura, die gemeinhin als Steuerhöllen gelten, knöpfen ihren Firmen weniger ab. Seit 2006 hat Zürich im Ranking ganze 13 Plätze verloren, der Kanton ist also vom Mittelfeld ans Ende der kantonalen Rangliste zurückgefallen.
  • Zweitens haben mehrere heimische Konzerne wichtige Bereiche und bedeutende Personalbestände in steuergünstige Nachbarkantone verschoben. Die Unternehmen belassen zwar formal einen Sitz in Zürich, versteuern aber nicht mehr alle Gewinne dort. Solche Verlagerungen sind laut Steueramt selbst bei Unternehmen festzustellen, die schon während Jahrzehnten im Kanton Zürich zu Hause sind.
  • Drittens kehren viele Unternehmen dem Kanton sogar ganz den Rücken, die Wegzüge übertreffen die Zuzüge seit Jahren. Der Kanton Zug spricht unumwunden davon, dass die linken Zürcher Städte potente Zürcher Firmen in seine offenen Arme treiben.
  • Viertens fällt Zürich bei der Finanzkraft zurück. Seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stagniert seit Jahren. Dies zeigen Zahlen des Nationalen Finanzausgleichs (NFA). Nachbarn und Konkurrenten wie Basel-Stadt, Schaffhausen und natürlich Zug, das in einer eigenen Liga spielt, haben sich deutlich verbessert. Zürich liegt im nationalen Vergleich zwar immer noch klar über dem Schweizer Schnitt, aber die Tendenz zeigt nach unten.

Ein zweites Prozent weniger

Der Kanton Zürich ist sich dieser Herausforderungen durchaus bewusst – die vier Problemstellen entstammen einer Aufstellung des Regierungsrats. Am Donnerstag hat der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) nun dargelegt, wie die Situation verbessert werden soll.

Der wichtigste Punkt liegt auf der Hand: Die Steuern müssen runter. Konkret sollen die Gewinnsteuern von 7 auf 6 Prozent gesenkt werden. Dabei handelt es sich um den zweiten Schritt der Steuervorlage 17; bereits per Anfang 2021 war der Satz von 8 auf 7 Prozent reduziert worden.

Ein Prozentchen hier, ein Prozentchen da: Das hört sich nicht nach viel an. Tatsächlich aber bedeutet eine Senkung von 8 auf 6 Prozent, dass die Unternehmen ein Viertel weniger Gewinnsteuern abliefern müssen. Das schenkt ein. Im Vergleich zu anderen Kantonen sei das aber noch moderat, sagt Ernst Stocker. Genf etwa habe seine Belastung um 67 Prozent reduziert.

Der Zürcher Steuersenkung steht paradoxerweise auch eine Steuererhöhung gegenüber. Wer mindestens ein Zehntel eines Unternehmens hält, zum Beispiel der Besitzer und Betreiber eines KMU, erhält heute einen Rabatt: Er muss seine Dividendenerträge nur zu 50 Prozent versteuern. Dieser Satz soll nun auf 60 Prozent angehoben werden. So soll die Senkung der Gewinnsteuer bei den Unternehmen weitgehend kompensiert werden. Unter dem Strich sollen die Gewerbler gleich viel oder leicht weniger abliefern wie zuvor, sagt Stocker.

Stocker: «Kaum Ausfälle zu erwarten»

Obwohl er die Gewinnsteuern senken will, rechnet der Regierungsrat nicht mit nennenswerten Mindereinnahmen. Bei jährlichen Unternehmenssteuern von rund 1,4 Milliarden Franken betrage der geschätzte Rückgang nur etwa 2 Millionen Franken.

Auch die Gemeinden sollen glimpflich davonkommen, sagt die Regierung: Mindereinnahmen bei der Gewinnsteuer stünden Mehreinnahmen wegen der höheren Dividendenbesteuerung gegenüber. Ausserdem will der Kanton für besonders betroffene Gemeinden in den ersten zwei Jahren je 20 Millionen Franken bereitstellen. Mittelfristig sollen die tieferen Steuern wieder mehr Unternehmen in den Kanton locken und die Einnahmen entsprechend sogar ansteigen lassen.

Dennoch ist der Widerstand in den Gemeinden gross: Namentlich die zwei grössten Städte des Kantons, Zürich und Winterthur, lehnen die Steuersenkung ab; sie befürchten Ausfälle. Aus der Sicht des Kantons sind diese aber verkraftbar. Die Regierung rechnet etwa im Fall der Stadt Zürich vor, dass die Mindereinnahmen etwa 14 Millionen Franken betragen – das seien nur etwa 0,4 Prozent der gesamten städtischen Fiskaleinnahmen von 3,3 Milliarden Franken.

Den Grünen sind florierende Firmen grundsätzlich suspekt

In der Politik gibt es Widerstand von links. Die SP glaubt den Berechnungen des Regierungsrats nicht, wonach die Steuersenkung die Staatseinnahmen kaum treffen werde. Es werde Ausfälle geben, und die müssten irgendwo kompensiert werden. Der Service Public werde leiden, schreibt die Partei.

Ernst Stocker hält dem entgegen, dass schon der erste Teil der Steuersenkung, also die Reduktion von 8 auf 7 Prozent, nicht weniger Einnahmen gebracht habe. «Wer tiefere Steuern hat, hat nicht automatisch weniger Geld», sagt er. Der Kanton Genf, der seine Steuersätze noch viel stärker zurückgenommen habe als Zürich, könne heute sogar deutlich höhere Einnahmen verbuchen.

Bemerkenswert ist die Kritik der Grünen, welche die Steuersenkung ebenfalls ablehnen: Aus ihrer Sicht sind Unternehmen, welche rentabel wirtschaften und ihre Angestellten angemessen entlöhnen, nämlich grundsätzlich ein Problem.

Denn, so schreibt die Partei in einer Mitteilung: «Finanzkräftige Konzerne generieren zwar Steuern, aber konkurrenzieren mit hohen Löhnen auch lokale KMU, verschärfen so den Fachkräftemangel und tragen zur Mietenexplosion bei.» Problematisch finden die Grünen auch, dass die Steuersenkung mehr Unternehmen in den Kanton locken könnte.

Gegenwind gibt es aber auch aus Ernst Stockers eigener Partei, der SVP. Diese begrüsst zwar die Reduktion der Gewinnsteuer, sie kritisiert aber die geplante Erhöhung der Dividendenteilbesteuerung, weil dieser Schritt inhabergeführte KMU bestrafe.

Das letzte Wort über die Steuersenkungspläne wird das Volk haben. Ein Selbstläufer wird die Vorlage nicht sein: Als der Kanton 2019 über den ersten Teil der Steuersenkung abstimmte, lag der Ja-Anteil bei recht knappen 56 Prozent; die Stadt Zürich lehnte die Änderung damals ab.

Zeno Geisseler, «Neue Zürcher Zeitung»

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