Die EU-Kommission will den Zoll digitalisieren und schafft die Freigrenze für Einfuhren im Wert von bis zu 150 Euro ab Wer in der EU lebt, muss künftig auch auf Waren mit geringem Wert, etwa aus chinesischen Online-Shops, Zoll entrichten. Darüber hinaus will Brüssel die Zollunion digitalisieren. Das ist auch für die Schweiz von Bedeutung, die ähnliche Pläne hegt.

Wer in der EU lebt, muss künftig auch auf Waren mit geringem Wert, etwa aus chinesischen Online-Shops, Zoll entrichten. Darüber hinaus will Brüssel die Zollunion digitalisieren. Das ist auch für die Schweiz von Bedeutung, die ähnliche Pläne hegt.

 

Die EU-Kommission will die Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs ins 21. Jahrhundert befördern und mit digitalen Prozessen administrative Hürden abbauen. Bild: pixabay

Nichts weniger als die «ehrgeizigste und umfassendste» Reform der Zollunion seit deren Gründung vor 55 Jahren hat die EU-Kommission angekündigt. Sie will die Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs ins 21. Jahrhundert befördern und mit digitalen Prozessen administrative Hürden abbauen. Das klingt gut. Doch wie schwierig das werden dürfte, sieht man in der Schweiz. Dort sorgt ein ähnliches Programm, Dazit, für viel Kritik. Unlängst musste gar der umstrittene Direktor der Zollverwaltung gehen.

EU wie die Schweiz: Mehr Daten, weniger Administration

Die Ideen aus Brüssel erinnern an das Brexit-Gezänk um Nordirland. Die britische Provinz ist Teil des EU-Binnenmarktes und der EU-Zollunion geblieben. Zur Einigung und zum Windsor-Abkommen hat Anfang Jahr insbesondere die Digitalisierung der neu entstandenen Zollgrenze für den innerbritischen Handel in der Irischen See beigetragen. Dieser datenbasierte Ansatz soll künftig an allen EU-Aussengrenzen gelten.

Das Herzstück der Reform ist deshalb eine Zolldatenplattform, die von einer neuen Behörde entwickelt und verwaltet wird. Sie soll bis 2038 mehr als 111 derzeit in der EU genutzte Schnittstellen und IT-Systeme ersetzen, die kaum miteinander kompatibel sind. Das soll die jährlichen IT-Kosten der Mitgliedstaaten um zwei Milliarden Euro verringern.

Firmen, die sich für eine sogenannte Trust-&-Check-Gruppe (T&C) qualifizieren, erhalten zusätzliche Erleichterungen. Dafür müssen sie aber unter anderem den Behörden Echtzeitdaten zu ihren Sendungen liefern und die eigene Lieferkette in hohem Mass kontrollieren.

Im Gegenzug können sie Waren ohne Anmeldung in die EU einführen und alle Importe bei der Behörde ihres Sitzstaates abfertigen, egal wo die Güter eintreffen. Das soll den Unternehmen Ersparnisse von 2,7 Milliarden Euro pro Jahr ermöglichen. Die Plattform kann ab 2032 freiwillig genutzt werden, ab 2038 ist sie obligatorisch.

Man verfolge diese Entwicklung mit Interesse, teilt das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) auf Anfrage mit. Die Bedeutung der Vorschläge für den Schweizer Zoll müssten aber noch geprüft werden. Die Eidgenossenschaft ist Kraft der gemeinsamen Grenze eng mit der EU-Zollunion verflochten. Bern hat 2009 mit Brüssel ein bilaterales «Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit» vereinbart. Es trägt dazu bei, dass Schweizer Exporteure in vielen Fällen wie EU-Firmen behandelt werden und somit die Grenzen mit ihren Gütern schnell und unkompliziert überqueren können. So entfällt etwa die sonst in der EU vorgesehene Voranmeldepflicht.

Das BAZG schreibt, dass der Schweizer Zoll bereits mit mehreren IT-Systemen der EU verbunden sei. Im Rahmen von Dazit stehe man zudem in engem Kontakt mit den Nachbarstaaten und der EU, um die Umsetzung an der gemeinsamen Grenze zu koordinieren.

Freigrenze für Online-Handel fällt

Bereits ab 2028 ist das neue EU-System für Online-Händler verpflichtend. Für sie kommt eine weitere Änderung zum Tragen, die im Vorfeld für Aufsehen gesorgt hat. So will die EU-Kommission die bisherige Zoll-Freigrenze für Waren im Wert von weniger als 150 Euro abschaffen. Käufe in Online-Shops in Drittstaaten werden so für EU-Bürger tendenziell teurer.

Brüssel begründet diese zusätzliche Bürokratie mit der Betrugsanfälligkeit solcher Sendungen. Die Kommission schätzt, dass bei jährlich rund 670 Millionen Paketen der Warenwert bewusst zu niedrig angegeben wird und dass grössere Sendungen gestückelt würden, damit sie unter die Freigrenze fallen. Die Massnahme, die sich insbesondere gegen Online-Shops aus China richten dürfte, soll Mehreinnahmen für das EU-Budget von einer Milliarde Euro generieren.

Künftig werden zudem die Online-Händler wie Aliexpress aus China und Amazon aus Amerika sich um die Zollformalitäten kümmern und ihren Kunden die entsprechenden Kosten beim Kauf offenlegen müssen. Als nächstes beschäftigen sich nun das EU-Parlament und der Rat der 27 Mitgliedstaaten mit der Vorlage.

Christoph G. Schmutz, Brüssel, «Neue Zürcher Zeitung»

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