Wenn Werbepartner peinlich werden: Die teure Trennung von Adidas und Kanye West ist eine von vielen geplatzten Allianzen Die beendete Partnerschaft mit dem umstrittenen Rapper Kanye West wird Adidas im kommenden Quartal wohl 250 Millionen Euro kosten. West ist nicht der erste Promi, den seine Eskapaden um wertvolle Werbeverträge gebracht haben.

Die beendete Partnerschaft mit dem umstrittenen Rapper Kanye West wird Adidas im kommenden Quartal wohl 250 Millionen Euro kosten. West ist nicht der erste Promi, den seine Eskapaden um wertvolle Werbeverträge gebracht haben.

 

Wegen seiner antisemitischen Aussagen haben sich alle Werbepartner von Kanye West distanziert. Bild: unsplash

Am Mittwochmorgen, kurz vor der Veröffentlichung der Quartalsergebnisse, hat Adidas sich überraschend mit schlechten Neuigkeiten gemeldet: Der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach teilte mit, dass die Umsatzprognose für das vierte Quartal erneut gesenkt werden müsse. Grund sei die beendete Partnerschaft mit dem umstrittenen Rapper Kanye West.

Weil das Geschäft mit Wests «Yeezy»-Linie, das zum Jahresabschluss sonst besonders stark ist, im vierten Quartal wegfällt, rechnet Adidas beim Umsatz jetzt nur noch mit einem um Währungseffekte bereinigten Plus im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Der erwartete Gewinn des Unternehmens wird um voraussichtlich 250 Millionen Euro sinken.

Adidas hat am längsten gezögert

Dieser Umsatzeinbruch dürfte der Grund sein, weshalb Adidas verhältnismässig lange zögerte, sich von dem Musiker loszusagen, der wegen antisemitischer Äusserungen in die Kritik geraten war. Ende Oktober sah es so aus, als würde Adidas das einzige Unternehmen bleiben, das noch mit West zusammenarbeitet. Doch dann teilte die Konzernleitung mit, alle Zahlungen an den Rapper, der sich auch «Ye» nennt, mit sofortiger Wirkung einzustellen. Das Unternehmen sieht sich dazu aufgrund der rufschädigenden Äusserungen rechtlich in der Lage.

Für Adidas ist es eine teure Scheidung, doch sie ist bei weitem nicht die erste dieser Art. Kooperationen und Werbepartnerschaften mit Stars und Sternchen können für Unternehmen eine grosse Chance darstellen – aber, je nach Promi, auch ein grosses Risiko. Auf der Seite brand-doctor.net heisst es hierzu: «Die Auswahl des passenden Promis (Brand Fit) ist das A und O einer erfolgreichen Promi-Marketingmassnahme.»

Tiger Woods wurden Affären zum Verhängnis

Diese Erfahrung haben auch andere bereits gemacht: Ein bekanntes Beispiel für Werbeverträge, die platzten wie Luftballons, ist der amerikanische Golfer Tiger Woods. In einer von den Medien als «Tigergate» betitelten Skandalserie gerieten 2009 die ausserehelichen Affären und die Eheprobleme des Sportlers ins Rampenlicht. Die Werbepartner AT&T und Accenture beendeten daraufhin die Zusammenarbeit mit ihm, TAG Heuer und Gillette setzten sie vorübergehend aus. Andere Unternehmen, darunter Nike und Electronic Arts, hielten Woods hingegen die Treue. Das machte sich bezahlt: Nach der Trennung von seiner Frau und einer 20-wöchigen Golfpause kehrte Tiger Woods zurück, bald darauf erzielte er auch wieder sportliche Erfolge.

Anders als ein weiterer Sportler, mit dem unter anderem Adidas vor gut zwanzig Jahren die Zusammenarbeit beendete: die Radsport-Legende Jan Ullrich. Von 1996 an war Adidas dessen persönlicher Sponsor. Doch im Frühjahr 2002 verursachte Ullrich unter Alkoholeinfluss einen Autounfall und beging Fahrerflucht, wenige Wochen später wurde er positiv auf Amphetamin getestet und für sechs Monate gesperrt. In diesem Fall reagierte Adidas schnell, der Sportartikelhersteller war der erste Sponsor, der Ullrich den Rücken kehrte.

Doch die anderen Sponsoren folgten diesem Beispiel nach und nach. Denn Ullrich kam nicht wieder auf die Beine, im Gegenteil: 2006 endete seine Karriere, nachdem sein Name auf der Kundenliste des spanischen Dopingarztes Eufemiano Fuentes aufgetaucht war.

Bei Drogen gehen Unternehmen auf Distanz

Auf Drogenkonsum reagieren Unternehmen besonders empfindlich. 2005 verlor das Model Kate Moss mehrere Werbeverträge, darunter mit Burberry, Chanel und H&M, nachdem die Zeitung «The Daily Mirror» Fotos von ihr beim Kokainkonsum veröffentlicht hatte. Der Schwimmer Michael Phelps verlor 2009 wegen eines Fotos mit einer Marihuana-Pfeife seinen Sponsor Kellogg’s.

In solchen Fällen ist die Lage meist klar: Ein Promi verhält sich anrüchig, verstösst gar gegen das Gesetz, und die Sponsoren und Werbepartner gehen auf Distanz. In anderen Fällen kann es für Unternehmen schwieriger sein, ihren Werbepartnern Rufschädigung nachzuweisen. Dann müssen sie einen anderen Weg finden, um kostengünstig aus unliebsam gewordenen Verträgen herauszukommen.

So kam es etwa 2012, dass dem Ex-Fussballprofi Ronaldinho ein Softdrink zum Verhängnis wurde. Weil er bei einer Pressekonferenz zwei Dosen Pepsi vor sich stehen hatte, kündigte sein Werbepartner Coca-Cola die Zusammenarbeit. Der wahre Grund war aber wohl ein anderer: Der ehemalige Weltfussballer sei dem Unternehmen peinlich geworden, sagte Marketingchef Marcelo Pontes damals. Ronaldinho machte zu dieser Zeit vor allem Schlagzeilen mit Frauengeschichten und ausschweifenden Partys. Der Pepsi-Fauxpas war für Coca-Cola also eine glückliche Fügung.

Nicht jeder Skandal kann ausgesessen werden

Anders sieht es aus, wenn längerfristige Kooperationen bestehen und die beteiligten Stars wegen umstrittener Aussagen in die Kritik der Öffentlichkeit geraten. Oft entscheiden Unternehmen sich dann dafür, die Sache auszusitzen, in der Hoffnung, dass sich die Geschichte bald erledigt.

So geschehen bei Novak Djokovic: Der serbische Tennisprofi dominierte Anfang des Jahres im Rahmen des Australian Open wegen seiner Impf-Weigerung die Schlagzeilen. Peugeot beendete bald darauf die Zusammenarbeit mit ihm, das Technologieunternehmen UKG verlängerte den ausgelaufenen Vertrag nicht. Andere Sponsoren, wie etwa Head, Asics oder die Raiffeisen-Bank, sind bisher nicht abgesprungen. Bei seinem Ausrüster Lacoste kann man weiterhin Produkte der «Lacoste x Novak Djokovic Collection» kaufen, wie etwa ein Poloshirt für 120 Franken.

Auch Adidas hat möglicherweise gehofft, dass die Kanye-West-Sache sich von selbst erledigt. Aber über Antisemitismus sind die wenigsten bereit, hinwegzusehen – schon gar nicht bei einem deutschen Unternehmen, dessen Gründer sich in der NSDAP engagierte.

Sorgfältige Promi-Auswahl ist offenbar wirklich das A und O. Und Kanye West ist schliesslich nicht zum ersten Mal mit zweifelhaften Aussagen aufgefallen. Statt den Eskapaden ihrer Werbegesichter hilflos ausgeliefert zu sein, können Unternehmen aber auch den umgekehrten Weg gehen und Stars gerade wegen ihrer politischen Statements unter Vertrag nehmen.

So wie 2018 der Adidas-Konkurrent Nike. Zum 30. Jahrestag der «Just Do It»-Kampagne sendete das Unternehmen einen Spot mit NFL-Star Colin Kaepernick, der 2016 durch seinen Kniefall während der amerikanischen Nationalhymne zum Gesicht der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurde. In den USA sorgte die Kampagne für erwartbare Kontroversen – unterm Strich bedeutete sie für Nike aber eine Aufbesserung des eigenen Images. Adidas dürfte das nun schwerer fallen.

Nelly Keusch, «Neue Zürcher Zeitung»

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