Krisenresistente KMU Die vergangenen Krisenmonate haben den Schweizer KMU stark zugesetzt. Und nach wie vor bläst ihnen eine steife Brise entgegen. Dass die Aussichten für viele Betriebe dennoch optimistisch sind, hat mehrere Gründe.

Die vergangenen Krisenmonate haben den Schweizer KMU stark zugesetzt. Und nach wie vor bläst ihnen eine steife Brise entgegen. Dass die Aussichten für viele Betriebe dennoch optimistisch sind, hat mehrere Gründe.

 

Drei Viertel der Schweizer KMU sind Kleinstunternehmen. Bild: Adobe Stock

Der kleine Betrieb aus Zürich hatte sich auf die Herstellung von biologischen Süssgetränken spezialisiert und sich damit über die Stadt hinaus einen Namen gemacht. Im Untergeschoss einer ehemaligen Bäckerei produzierte man verschiedene Sorten für Privatkunden und den Detailhandel. Das Geschäft lief gut. Kistenweise wurden die Flaschen auf die Transporter verladen – bis Corona und der Lockdown kam. In den folgenden Wochen wurde die Liquidität nach und nach knapper und gipfelte in einem Aufruf an die Kundschaft, die biologischen Süssgetränke online zu kaufen und damit zur Existenzsicherung des Firmeninhabers und seiner Familie beizutragen.

Zwei Jahre später und nach dem Ende der Pandemiemassnahmen ist der Kleinbetrieb zwar nach wie vor aktiv. Doch an der Spitze ist es zu einem Wechsel gekommen. Zu unbefriedigend waren die vergangenen Monate der ­Unsicherheit für den Firmengründer, zu zermürbend die ungewisse Zukunft.

Wie dem Süssgetränkehersteller ist es in den von der Pandemie geprägten Jahren viele kleineren und mittleren Betrieben in der Schweiz ergangen. Und doch hat der Grossteil der Firmen durchgehalten und dem heftigen Gegenwind getrotzt. Das hat viele Gründe, die eng mit der Struktur der KMU verbunden sind.

«In den Corona-Monaten haben zwar einige Unternehmerinnen und Unternehmer aufgegeben», weiss Urs Fueglistaller, Professor für Unternehmensführung und Direktor des Schweizerischen Instituts für KMU und Unternehmertum der Universität St. Gallen. So ist die Zahl der Firmen- und Privatkonkursverfahren 2021 gegenüber dem Vorpandemiejahr 2019 gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) gestiegen – jedoch nur um moderate 1,7 Prozent. Laut dem KMU-Experten sind die Geschäftsaufgaben dabei nicht nur auf Corona zurückzuführen. «Manche Firmen befanden sich auch einfach am Ende ihres Lebenszyklus», so Fueglistaller. Genaue Zahlen zu den direkten Auswirkungen der Pandemie sind derzeit noch nicht erhältlich, wohl sind jedoch die Auswirkungen in vielen Branchen massiv gewesen.

Neue Herausforderungen

Auf der anderen Seite gebe es jene KMU, die den widrigen Umständen trotzen und sich durch die Krise durchschlagen konnten, selbst wenn sie heute wiederum vor grossen Herausforderungen stehen. «Nachdem sie Corona gemeistert haben, müssen sie mit Lieferkettenproblemen, hohen Energiekosten und einem anhaltenden Fachkräftemangel fertig werden», so Fueglistaller. Die Probleme werden damit nicht kleiner.

Dass viele KMU hierzulande trotz allem erfreulich unterwegs sind und in den vergangenen Monaten sogar einen grossen Teil der finanziellen Überbrückungshilfen des Bundes zurückzahlen konnten, liegt zu einem wesentlichen Teil an der Struktur der KMU. So zählte das BFS 2019 insgesamt 601 400 kleine und mittlere Unternehmen mit maximal 249 Beschäftigten. Bei rund drei Viertel davon, sprich gut 450 000 Firmen, handelt es sich um Kleinstunternehmen, bestehend aus einer bis drei Personen – von der Barbetreiberin über Treuhänder, Webdesigner bis zur Tätowiererin. «KMU werden häufig als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft bezeichnet. Ich bevorzuge ein anderes Bild: Sie sind schnell, flexibel, experimentierfreudig. Deshalb sind sie für mich wie der Tastsinn der Wirtschaft», sagt Fueglistaller. In den vergangenen Krisenmonaten hat sich diese hohe Flexibilität und Schnelligkeit nun ausgezahlt.

Vorausschauendes Denken

Weil den KMU allerdings oftmals die Marktmacht fehlt, um höhere Preise durchzusetzen, ist darüber hinaus gutes Verhandlungsgeschick gefragt – und vorausschauendes Denken. «Erfolgreiche KMU planen behutsam und denken genauso operativ wie auch strategisch», sagt Fueglistaller. Nicht umsonst sind gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco auch nach der Pandemie und einem deutlich erhöhten Finanzierungsbedarf rund 37 Prozent aller Betriebe in der Schweiz ausschliesslich eigenfinanziert. Es erstaunt daher kaum, dass zahlreiche Firmeninhaberinnen und -inhaber in den Krisenmonaten für sich selbst Lohneinbussen in Kauf genommen haben, um die Belegschaft halten zu können. «Ich kenne viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die kaum etwas verdient haben, damit sie die Löhne zahlen konnten. Denn sie sind und waren überzeugt, dass der Wind wieder drehen wird», ergänzt er.

Entsprechend optimistisch ist der KMU-Experte denn auch für die Zukunft der hiesigen Betriebe. «Viele KMU haben sich in der Krise angepasst, sind sehr fit und agil und schliessen sich, wenn nötig, mit anderen Firmen zusammen», sagt er. Dies seien beste Voraussetzungen, um auch die aktuellen Herausforderungen gut zu überstehen.

So geht es drei besonders belasteten Branchen

Gastronomie
Die gastgewerblichen Betriebe mussten während der Corona-Krise knapp 700 Tage lang mit teils massiven Einschränkungen leben. «Die gastgewerblichen Umsätze brachen gemäss Daten von GastroSuisse und der Konjunkturforschungsstelle (KOF) in den Jahren 2020 und 2021 gegenüber 2019 um rund 40 Prozent ein», sagt GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer. Das entspreche einem wirtschaftlichen Schaden von über 20 Milliarden Franken.

Angesichts dessen überrascht es nicht, dass die Prognosen für das erste Halbjahr 2022 gemäss der «Konjunkturumfrage Gastgewerbe» der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich noch durchzogen ausfiel. So erwarteten 38,9 Prozent der Betriebe eine ­Verbesserung der Geschäftslage, wobei fast genauso viele keine Veränderung (35,7 Prozent) und 28,0 Prozent gar eine Verschlechterung befürchteten. Mittlerweile ist in der Branche aber wieder Optimismus zu spüren. Für eine verbindliche Prognose sei es allerdings noch zu früh. «Zu den Umsatzentwicklungen der letzten Wochen liegen uns nämlich noch keine Angaben vor», so Platzer.

Hotellerie
Die weltweit eingeschränkte Reise­tätigkeit sowie die veränderten Voraussetzungen bei den Geschäftsreisen machen der Schweizer Hotellerie nach wie vor zu schaffen. So liegt das Niveau der verzeichneten Übernachtungen weiterhin unter dem Vorkrisenniveau. «Im Februar 2022 wurden 15 Prozent weniger Logiernächte verzeichnet als vor der Krise (Februar 2020)», sagt HotellerieSuisse-Sprecher Vinzenz van den Berg. Vor allem die grossen Städte wie Basel, Zürich, Lausanne, Genf und Bern seien besonders stark von der Krise betroffen. «Insgesamt verzeichneten die Betriebe in diesen Städten im Februar 2022 durchschnittlich 40 Prozent weniger Logiernächte als noch im Februar 2020.» In den klassischen Tourismus­regionen fehlen hingegen noch 5 Prozent im Vergleich zu vor der Krise.

Der Ausblick für die Schweizer ­Hotellerie fällt derzeit noch zurück­haltend aus. Zwar hat die Branche im Verlauf der vergangenen zwei Jahre gezeigt, dass sie in der Lage ist, sich zu erholen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. «Die Erholung der Branche ist abhängig von einem Wechselspiel der vergleichsweise hohen Inlandnachfrage und einer langsamen Rückkehr der Fernmärkte», sagt van den Berg. Die Entwicklungen in den Fernmärkten seien ein wichtiger Faktor für den hiesigen Tourismus, doch bleibe die Nachfrage aus wichtigen Fernmärkten momentan nach wie vor fast aus. «Aus China konnten im Februar 2022 beispielsweise nur 14 Prozent der Logiernächte von Februar 2020 verzeichnet werden», ergänzt er. Aufgrund des Rückgangs des Geschäftstourismus und des mehrheitlichen Ausbleibens der aussereuropäischen Touristen wird die Erholung in den Städten noch länger dauern. «Es ist zu erwarten, dass das Vorkrisenniveau frühstens 2023 erreicht werden kann.»

Fitness- und Gesundheitscenter
Der Anfang März verkündetet Konkurs des Kieser-Filiale in der Zürcher City hat weitherum für Aufsehen gesorgt. «Der Fall zeigt klar auf, dass für unsere Fitnessunternehmen die Corona-Krise noch lange nicht ausgestanden ist», sagt Claude Ammann, Präsident des Schweizer Fitness- und Gesundheitscenter-Verbands. Laut Ammann würden die Wirtschaftshilfen sowie die in allen Kantonen in unterschiedlicher Höhe ausbezahlten Härtefallgelder den entstanden Schaden in keiner Weise decken. «Hinzu kommen nun noch die Begehrlichkeiten der Kunden auf Gutschriften für die geschlossene Zeit, auf die man als Dienstleister praktisch eingehen muss, um den Kunden nicht ganz zu verlieren», sagt er. Diese Gutschriften sind ein grosser Posten, für welche die Firmen selber aufkommen müssen. Der Ausblick des Verbandspräsidenten für die nächsten Monate fällt zurückhaltend aus. Die entfallenen respektive nach hinten geschobenen Einnahmen könnten gemäss Ammann im Sommer wegen der angespannten Situation der letzten zwei Jahre zu einem Liquiditätsengpass führen.

Dieser Artikel ist im Rahmen der NZZ-Verlagsbeilage «KMU Today» erschienen.

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