Wenn von einem gespendeten Franken nur 70 Rappen ankommen: So meiden Sie ineffiziente Hilfswerke Wer spendet, will Gutes tun. Doch oftmals geht ein grosser Teil der Gelder für die Verwaltungskosten der Hilfswerke drauf. Worauf Spender achten sollten.

Wer spendet, will Gutes tun. Doch oftmals geht ein grosser Teil der Gelder für die Verwaltungskosten der Hilfswerke drauf. Worauf Spender achten sollten.

Der Dezember ist der Monat der Hilfswerke. Jeden Tag liegen neue Schreiben im Briefkasten, die um Spenden bitten. Für Schulkinder in Ostafrika, für den Regenwald in Brasilien oder für Wohnungslose in der Schweiz. Mit Erfolg: Im Jahr 2021 erhielten die Schweizer Hilfswerke 2,05 Milliarden Franken Spenden, fast genau so viel wie im Rekordjahr 2020.

Wer spendet, will sichergehen, dass sein Geld auch ankommt – dass damit also tatsächlich ein Schulhaus gebaut oder warme Mahlzeiten finanziert werden. Doch wie gross der Anteil eines gespendeten Frankens ist, der am Ende den Projekten zugutekommt, unterscheidet sich von Hilfswerk zu Hilfswerk stark. Das zeigt eine Erhebung des Vergleichsdienstes moneyland.ch, in der die Verwaltungskosten der bekanntesten Schweizer Non-Profit-Organisationen ausgewertet werden.

Die Grafik zeigt: Während bei der Heilsarmee mehr als 93 Rappen eines gespendeten Frankens in Projekte investiert werden, sind es bei Organisationen wie WWF, Terre des hommes und der Krebsliga nur knapp mehr als 70 Rappen. Das liege unter anderem an den unterschiedlich hohen Kosten für das Fundraising, erklärt Luzius Neubert, Partner beim Beratungsinstitut PPCmetrics, das unter anderem das «Jahrbuch der Hilfswerke» publiziert.

Nicht jeder muss Spenden sammeln

«Die Kosten für Fundraising hängen stark davon ab, in welchem Umfang eine Hilfsorganisation von Einzelspenden finanziert wird», so Neubert. Wer etwa grosse öffentliche Aufträge oder feste Dienstleistungsverträge hat, muss einen viel geringeren Aufwand betreiben, um Einnahmen zu erwirtschaften. «Die Kennzahlen verschiedener Organisationen sind deshalb häufig nicht direkt vergleichbar.»

Neben dem Fundraising spielen die Löhne eine wichtige Rolle. Auch hier gibt es grosse Unterschiede. «Manche Organisationen können stärker von Freiwilligenarbeit profitieren als andere und müssen weniger Geld für Löhne ausgeben», sagt Neubert. So wie beispielsweise die Heilsarmee: Sie zahlt ihrem Direktor einen sogenannten Bedarfslohn, der sich nach dessen Lebenssituation richtet und weit unter dem üblichen Marktlohn liegt.

Darüber hinaus könnten Hilfsorganisationen versucht sein, die Darstellung ihrer Kosten zu optimieren, indem sie so viele Ausgaben wie möglich dem Projektaufwand zuzurechnen. «Der Ausweis von Verwaltungskosten ist ein komplexes Thema», so Neubert.

Zwei Drittel sollen in Projekte fliessen

Um Schönrechnerei zu unterbinden, gibt es die Zertifizierungsstelle Zewo. Sie vergibt Gütesiegel für seriöse Organisationen. Wer das Siegel erhalten will, muss Kosten für Administration, Mittelbeschaffung und Leistungserbringung klar getrennt voneinander ausweisen. «Wenn ein Aufwand unabhängig von Projekten anfällt, darf er nicht der Leistungserbringung zugerechnet werden, sondern gilt als administrativer Aufwand», erklärt die Zewo-Geschäftsleiterin Martina Ziegerer.

Die Zewo betont, dass nie hundert Prozent des Geldes direkt in Hilfsprojekte fliessen könnten. Zu guter Hilfe gehörten eine professionelle Buchhaltung, ein Jahresbericht und ein gewisser Aufwand, um die benötigten finanziellen Mittel zu erhalten. Mindestens zwei Drittel des gesammelten Geldes sollten aber direkt in die Hilfsprojekte fliessen, maximal ein Drittel für Fundraising und Administration ausgegeben werden.

Zewo-zertifizierte Hilfswerke erbringen im Durchschnitt 81 Prozent ihres Aufwands für Hilfeleistungen, benötigen 12 Prozent für administrative Aufgaben und wenden 7 Prozent der Mittel auf, um die Gelder zu sammeln. Gerade der Fundraising-Aufwand unterscheidet sich je nach Aktivitätsfeld deutlich. So sind Organisationen im Umweltbereich stark auf Spendengelder angewiesen, während etwa Heime meist auf langfristige Zuwendungen zählen können.

Wer viel sammelt, ist effizienter

Eine wichtige Kennzahl ist die Fundraising-Effizienz. Hierbei wird betrachtet, wie viel es eine Organisation kostet, einen Spendenfranken einzunehmen. Bei den zertifizierten Hilfswerken benötige das untere Viertel dafür weniger als 7 Rappen, das obere jedoch mehr als 26 Rappen, erklärt Martina Ziegerer. Und: «Je mehr man auf das Spendensammeln fokussiert ist, desto besser ist man darin.» Organisationen, die einen Grossteil ihrer Gelder durch Spenden erhalten, sind laut Ziegerer am effizientesten beim Sammeln.

Eine weitere Kennzahl, auf die die Zewo achtet, ist das frei verfügbare Organisationskapital. Schliesslich sind gewisse finanzielle Reserven nötig, damit eine Organisation ihre Leistungen auch in schwierigen Zeiten durchführen kann. Bei den meisten zertifizierten Hilfswerken reicht das Organisations- und Fondskapital zusammen mindestens für 3 und höchstens für 24 Monate. Wichtig sei, dass Organisationen ihre Aufgaben längerfristig wahrnehmen könnten, aber nicht unnötig Geld anhäuften, erklärt Martina Ziegerer.

Hat ein Hilfswerk mehr Kapital, muss das begründet werden. Vor allem bei Organisationen, die im Inland tätig sind, ist das oft der Fall, etwa bei der Heilsarmee oder der Berghilfe. Ein Grund dafür kann sein, dass die Organisationen Liegenschaften besitzen. Zudem erhalten sie des Öfteren grosse Legate, etwa aus Erbschaften, die dann über einen längeren Zeitraum hinweg ausgegeben werden.

«Schwarze Liste» der Hilfswerke

«Wichtig ist vor allem, dass eine Organisation transparent ist», findet Luzius Neubert. Die Zewo führt eine Liste mit Organisationen, die Spenden sammeln, aber nicht transparent darüber informieren, wofür diese verwendet werden. Sie führt auch auf, welche Organisationen einzelne Zewo-Standards verletzen. Das bekannteste Hilfswerk auf dieser «schwarzen Liste» ist der Schweizer Tierschutz. Die Organisation steckt in einer Krise, mehrere aktive und ehemalige Vorstandsmitglieder werfen der Präsidentin Intransparenz und Unregelmässigkeiten bei den Finanzen vor.

Doch nur weil eine Organisation das Zewo-Gütesiegel nicht hat, heisst das nicht, dass sie automatisch weniger vertrauenswürdig ist. Besonders für kleine Organisationen sind die Auflagen teilweise schwer zu erfüllen, oder der Aufwand, um das Siegel zu bekommen, lohnt sich nicht. Auch grosse Hilfswerke wie Unicef oder Greenpeace haben sich nicht um die Zewo-Zertifizierung bemüht. Für Greenpeace, das bei seinen Aktionen stark auf zivilen Ungehorsam setzt, wäre das wohl auch ein erfolgloses Unterfangen – die Zewo setzt strenge Gesetzestreue voraus.

Was Spender berücksichtigen können

Unabhängig von der Zertifizierung gilt: Seriöse Organisationen geben Auskunft darüber, wie viel sie einnehmen, wie sie die Gelder einsetzen, ihre Projekte auswählen und kontrollieren. Sie veröffentlichen ihre Betriebsrechnungen und Bilanzen. Luzius Neubert rät, darauf zu achten, dass die Verwaltungskosten nicht zu gross seien und dass die Organisation das Geld selber einsetze.

Die Zewo empfiehlt zudem, eher viel an wenige zu spenden als wenig an viele. Das sei effizienter, da jede Spende auch Kosten verursache. Wer den Eindruck habe, eine Organisation häufe Spendengelder an, sollte sich nach den Gründen erkundigen und dann entscheiden.

Wer ganz sichergehen will, dass sein Geld allein dem eigentlichen Zweck zugutekommt und nicht für Verwaltungsaufgaben verwendet wird, kann zweckgebunden spenden. Der Spender darf dann angeben, wofür das Geld verwendet werden soll. «Für Hilfswerke kann das aber auch ein Nachteil sein», sagt Neubert warnend. Im schlimmsten Fall fehlen einer Organisation dann Gelder an anderer Stelle – ein bisschen Verwaltung muss schliesslich immer sein.

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