Den Aufschwung als Chance nutzen Ob die Corona-Krise direkt in eine bessere Zukunft münden wird, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Die richtige Vorbereitung auf die prognostizierte baldige Erholung ist allerdings für viele KMU eine grosse Herausforderung, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Ob die Corona-Krise direkt in eine bessere Zukunft münden wird, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Die richtige Vorbereitung auf die prognostizierte baldige Erholung ist allerdings für viele KMU eine grosse Herausforderung, wie die folgenden Beispiele zeigen.

 

Die Fitnessgeräte von Seonsopro ermöglichen ein gelenkschonendes und variantenreiches Koordinationstraining unter Belastung. Bild: PD

«Das Ende der Flaute ist in Sicht», sagt Stefan Schulthess, Chef der SGV, die unter anderem für die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee zuständig ist. Wie die meisten touristisch ausgerichteten Unternehmen wurde auch die SGV von der Corona-Krise besonders hart getroffen. So brach die Zahl der Schiffsreisenden auf dem grössten Gewässer der Zentralschweiz im Jahr 2020 um 55 Prozent ein. Der Umsatz in der Gastronomie, betrieben von der SGV-Tochter Tavolago, reduzierte sich gegenüber dem Vorjahr gar um rund zwei Drittel. Trotz Kurzarbeit wurden Kündigungen unumgänglich, sodass in den Restaurants Ende 2020 nur noch 279 Personen unter Vertrag waren statt deren 411 wie vor der Krise. Abgesehen von der im Schiffsbau tätigen Shiptec, die aufgrund von zwei Grossaufträgen 2020 gar einen Rekordumsatz verbuchen konnte, erlitten sämtliche Tochtergesellschaften der SGV happige Umsatzeinbussen. Unterm Strich resultierte für die Unternehmensgruppe ein Millionenverlust. Schulthess spricht von einem historischen Einschnitt und meint rückblickend: «Selbst während dem Zweiten Weltkrieg waren auf dem Vierwaldstättersee mehr Passagiere unterwegs.»

In den Startpflöcken

Inzwischen hat die SGV zwar vom Krisen- in den Erholungsmodus umgeschaltet. Sie lancierte im April als neues Angebot den Vierwaldstättersee-Pass, eine Jahreskarte für 299 Franken, die sich vor allem an das Schweizer Reisepublikum richtet. Doch mit einem ersten klaren Aufschwung rechnet Schulthess erst dann, wenn der Bundesrat die Gastronomie in den Innenräumen wieder zulässt. Auf die Öffnung sind die Gastronomiebetriebe der Tavolago selbstverständlich vorbereitet. Ausserdem will das Unternehmen mit diesem nächsten Öffnungsschritt eine gut getaktete Imagekampagne zünden. Länger schon hat die SGV die Krisenflaute überdies genutzt, um sich digital weiter aufzurüsten und ihre internationalen Kontakte zu pflegen.

Den Beteiligten ist allerdings klar, dass sich allein mit Digitalisierungs- und Marketingmassnahmen der verlorene Schwung kaum zurückgewinnen lässt. Normal- oder gar Hochbetrieb wird auf dem Vierwaldstättersee erst dann wieder herrschen, wenn sich die für die Destination wichtigen Fernmärkte Asien und Amerika voll erholt haben. «Das wird wohl nicht vor 2023 der Fall sein», schätzt Schulthess. Angesichts dieses ungewissen Szenarios bleibe der SGV vorderhand keine andere Möglichkeit, als flexibel und situativ zu handeln und sich laufend an die ständigen Veränderungen anzupassen, heisst es weiter. Allfällige strategische Entscheide sollen erst dann getroffen werden, wenn wieder eine gewisse Normalität eingekehrt ist.

Zusatzschub – dank einem neuen Wahrzeichen

Ähnlich wie die SGV haben die Titlis Bahnen ihr Sommergeschäft in den letzten Jahren stark auf internationale Gäste ausgerichtet. Dies hatte zur Folge, dass sich der Umsatz im letzten Geschäftsjahr vom 1. November 2019 bis zum 31. Oktober 2020 glattweg halbierte. Im vergangenen Winter scheute das Unternehmen keinen Aufwand, allen Einschränkungen zum Trotz mit anspruchsvollen Schutzkonzepten zumindest den Skibetrieb wieder einigermassen anzukurbeln. Und die bevorstehende Sommersaison wird mit Events und einem neuen Kinderspielplatz auf Trübsee befeuert. «Mit diesen Angeboten sprechen wir gezielt Schweizer Gäste an», betont Marketingchef Urs Egli. In der Aussage schwingt mit, dass es mit dieser vorläufigen Fokussierung auf den Inlandmarkt am Titlis nur um Schadensbegrenzung gehen kann. «Denn», so Egli weiter, «Corona hat uns den unmissverständlichen Beweis geliefert, dass allein der Schweizer Markt zu klein ist für eine grosse Bergbahn.»

Allerdings geht man wie auf dem Vierwaldstättersee auch in Engelberg davon aus, dass die Touristen aus China, Indien und Amerika frühestens 2023 wieder so zahlreich wie vor Corona den Titlis besuchen werden. «Wir möchten schon bald mit dem Projekt Titlis 3020 starten», erklärt Egli. Geplant ist auf 3000 Meter über Meer eine neue Bergstation, zusammen mit einer neuen Aussichtsplattform und einem Panoramarestaurant. Entstehen soll auf dem Gletscher ein architektonisches Wahrzeichen nach den Plänen von Herzog & de Meuron. Wann die neue Attraktion zu erleben sein wird, ist allerdings noch ungewiss, was allerdings kein Problem sein sollte. Denn auf jeden Fall soll die neue Bergstation den Titlis Bahnen einen kräftigen Zusatzschub verleihen – allenfalls einfach etwas später.

Ein Berufsverbot, aber keineswegs Untätigkeit

Faktisch zum Erliegen kamen im vergangenen Jahr die Geschäfte der Twerenbold Reisen Gruppe. Sowohl die Bus- als auch die Kreuzfahrtschiffflotte stand mehrere Monate komplett still. VR-Präsident Karim Twerenbold sagt: «Wir sahen uns phasenweise mit einem regelrechten Berufsverbot konfrontiert.» Die Umsätze des Familienunternehmens mit seinen 650 Mitarbeitenden brachen um bis zu 80 Prozent ein. Die Firma hielt sich im 126. Jahr ihrer Geschichte mittels der Entschädigung für unternehmerische Härtefälle und Kurzarbeit über Wasser. «Wir mussten letztlich nur wenige Mitarbeitende entlassen und haben derzeit weiterhin 350 Vollzeitstellen besetzt», erklärt Twerenbold.

Das Unternehmen verfiel in der Krise keineswegs in Untätigkeit, auch nicht während der schlimmsten Lockdown-Phase, im Gegenteil. Hinter den Kulissen wurde zielstrebig an einer sichereren Zukunft gearbeitet. Zum Beispiel wurden in sämtliche Busse und Schiffe Ionisierungsanlagen eingebaut, die eine fast viren- und keimfreie Luft garantieren. Ausserdem wurden die Mitarbeitenden nach neustem Stand der medizinischen Erkenntnisse geschult und die Schutz- und Hygienekonzepte weiter ausgefeilt. Twerenbold nutzte im Weiteren die Reiseflaute, um die IT-Infrastruktur zu verbessern, die digitalen Kommunikationskanäle auszubauen und verschiedene Nachhaltigkeitsprojekte voranzutreiben. Letzteres führte dazu, dass die Stiftung MyClimate das Unternehmen 2020 mit dem Award «Vorreiter ganzheitlich nachhaltiger Flusskreuzfahrten» auszeichnete. Der VR-Präsident hofft nun, dass baldmöglichst überall die Grenzen geöffnet werden. Erst dieser Schritt werde die Reisebranche wieder definitiv in Fahrt bringen. Twerenbold spürt bei den Kundinnen und Kunden einen riesigen Nachholbedarf und sagt: «Die Pandemie hat uns allen gezeigt, wie wichtig Reisen für den Menschen und dessen Wohlbefinden ist.»

Flaute für eine Innovation genutzt

Auch für die Sensopro AG in Münsingen BE wurde die Corona-Krise zu einer harten Prüfung. Das Jungunternehmen mit 30 Beschäftigten produziert spezielle Fitnessgeräte, die ein gelenkschonendes und variantenreiches Koordinationstraining unter Belastung ermöglichen. Die interaktiven Geräte sind vor allem in Fitnesscentern und, seit sie vor drei Jahren als Medizinprodukt der Klasse I europaweit anerkannt wurden, vermehrt auch in Physiotherapien und Gesundheitszentren im Einsatz. «Im Februar 2020, also im letzten runden Monat vor Beginn der Corona-Pandemie, verzeichneten wir noch einen Rekordumsatz», erklärt CEO Jan Urfer. Dieser Boom fand dann aber mit dem Lockdown, der im März die Fitnesscenter für viele Monate praktisch in die Knie zwang, einjähes Ende. Kurz vor der tausendsten Bestellung eines der 300 Kilo schweren Geräte wurde es in den Geschäftsräumen in Münsingen plötzlich ziemlich ruhig.

Es folgte eine mehrmonatige Durststrecke, in deren Verlauf Sensopro den Verkaufsfokus stärker auf die Physiotherapien richtete. Mit Erfolg, denn im Herbst 2020 begannen die Geschäfte sich langsam zu erholen. Als hilfreich erwiesen sich ausserdem Unterstützungsinstrumente wie die Kurzarbeit sowie ein Entwicklungscoaching des Kantons Bern. Urfer und sein Team nutzten nämlich die Flauten im Tagesgeschäft und starteten ein ambitiöses Innovationsprojekt. Mit dem Resultat, dass sie demnächst das Ergebnis dieser Bemühungen lancieren können. «Wir rechnen mit dem Verkaufsstart des neuen Gerätes Ende Sommer», sagt Urfer, ohne bereits jetzt die genaueren Details zu verraten. Sollte sich die Situation an der Covid19-Front in den nächsten Monaten zusätzlich entspannen, will er weitere, während der Pandemie gut vorbereitete Ausbaupläne aus der Schublade ziehen. «Wir möchten uns künftig auf dem Markt internationaler ausrichten und unsere Produktepalette weiter differenzieren», so Urfer.

Das volle Programm

Weniger dramatisch als die bereits erwähnten Firmen war die Härterei Gerster AG in Egerkingen SO von Corona betroffen. Das Familienunternehmen mit seinen 110 Mitarbeitenden kam vergleichsweise gut durch die Pandemie, dank einer breiten Abstützung seiner Geschäfte. Die Firma ist auf Wärmebehandlungsverfahren spezialisiert und Zulieferant für die verschiedensten Industriebranchen wie Automobil, Luftfahrt, Lebensmittel, Maschinenbau etc. «Wir hatten glücklicherweise während der Pandemie immer Arbeit, wenn auch deutlich weniger», meint Firmenchefin Martina Gerster. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2020 schrumpfte um 20 Prozent. Gerster war froh, dass sie niemanden entlassen musste. Aber in den meisten Abteilungen gab es Kurzarbeit, und das Führungsteam verordnete dem Betrieb ein striktes Kostenmanagement. Ausserdem wurden während der Krise verschiedene Projekte und Massnahmen zur Effizienzsteigerung, Prozessoptimierung und Digitalisierung mit Hochdruck vorangetrieben. «Denn wenn wir mit dem Tagesgeschäft wieder voll ausgelastet sind, bleibt uns dafür bald weniger Zeit», sagt Gerster.

Zum Fitnessprogramm gehörten in Egerkingen mit Blick auf bessere Zeiten auch Investitionen in neue Produktionsanlagen und ein Ausbau des Kundensupports. Zudem akquirierten die Solothurner eine deutsche Firma. Intern wurde die Weiterbildung der Mitarbeitenden, die teils durch eigene Ingenieure erfolgte, stark forciert. «Als technisch orientierte Organisation haben wir während Corona gelernt, auf die sich laufend verändernden Rahmenbedingungen schnell zu reagieren und agil zu handeln», betont die Chefin weiter. Die in den letzten 15 Monaten unternommenen Anstrengungen scheinen jedenfalls bereits Früchte zu tragen. Denn beim Solothurner KMU läuft es inzwischen wieder ziemlich rund. «Dabei hatten wir für 2021 nochmals mit einem schwierigen Jahr gerechnet, aber nun scheint der Aufschwung in der Industrie erfreulicherweise doch früher zu kommen», so Gerster.

«KMU today»

Dieser Artikel ist im Rahmen der NZZ-Verlagsbeilage «KMU today» erschienen. Inhalt realisiert durch NZZ Content Creation. Hier geht es zu den NZZ-Richtlinien für Native Advertising.

Zur Artikelsammlung →

Das könnte Sie auch interessieren: