Die März-Löhne sollen noch im März fliessen Die Bundeshilfe für die Wirtschaft nimmt enorme Ausmasse an. Schon liegen über 300 000 Anträge für Kurzarbeit vor. Der Bund verspricht rasche Auszahlungen, doch Nachkontrollen sind vorgesehen.

Die Bundeshilfe für die Wirtschaft nimmt enorme Ausmasse an. Schon liegen über 300 000 Anträge für Kurzarbeit vor. Der Bund verspricht rasche Auszahlungen, doch Nachkontrollen sind vorgesehen.

Der Bund könnte laut eigenen Angaben 20 bis 30 Mrd. Fr. in die ALV einschiessen.
Gaëtan Bally / Keystone

Der Bund sichert in der Corona-Krise Lohnzahlungen und Liquiditätshilfen – koste es, was es wolle. Das ist derzeit die Botschaft des Bundesrats. Die Sache kann ein enormes Ausmass annehmen. Das bedeutendste Element des Hilfspakets ist die Kurzarbeitsentschädigung der Arbeitslosenversicherung (ALV) für 80% des Lohnausfalls. Dieses Element wächst etwa so schnell, wie sich das Virus ausbreitet. Der Bundesrat hatte das Instrument für «normale» Angestellte jüngst auf Lehrlinge, Angestellte mit befristeten Verträgen, Dienstleister für Temporärfirmen und Chefs von juristischen Personen wie Aktiengesellschaften oder GmbH ausweitet.

Laut Bundesangaben vom Sonntag gibt es schon Anmeldungen für Kurzarbeitsentschädigungen für über 300 000 Personen. Diese Zahl dürfte rasch noch weiter steigen. Sollten grossflächig auch Baustellen und Industriebetriebe schliessen, könnten total über 1 Mio. Beschäftigte anspruchsberechtigt sein. Die ALV müsste dann wohl mit Kosten in der Grössenordnung von 4 bis 5 Mrd. Fr. pro Monat rechnen; einschliesslich möglicher Folgeeffekte könnte es auch noch deutlich teurer werden.

Die Tessiner eilen voraus

Einen Hinweis liefert der Kanton Tessin, der dem Rest der Schweiz in dieser Krise vorauseilt. Gemäss Bund liegen bereits Anträge für Kurzarbeitsentschädigung für rund einen Viertel aller Tessiner Erwerbstätigen vor, für die Gesamtschweiz liege dieser Anteil noch etwa bei 5 bis 6%. Die zuständigen kantonalen Arbeitsmarktbehörden sind gehalten, die Gesuche rasch und unbürokratisch zu behandeln. Laut Bund sollen Kurzarbeitsentschädigungen für den laufenden Monat noch im März fliessen, wie dies die Löhne tun. Doch wenn der Sturm vorbei ist, sind Nachkontrollen und bei Missbrauchsfällen auch Rückforderungen vorgesehen. Das gab es auch nach der Krise von 2009; damals waren dem Vernehmen nach viele Anträge nicht korrekt.

Erste Kontroversen sind schon ausgebrochen. So haben sich offenbar gewisse Geschäftsverantwortliche von juristischen Personen darüber beklagt, dass die Kurzarbeitsentschädigung für sie auf monatlich 3320 Fr. beschränkt sein soll. Diese Sozialleistung entspricht einer Art Bundesgarantie für den «Unternehmerlohn». 3320 Fr. pro Monat sind optisch wenig, doch der volle «Unternehmerlohn» spiegelt faktisch den Gewinn, und das Bundesprogramm sieht keine Entschädigung für Gewinn- und Umsatzeinbrüche vor. Eine weitere Kontroverse betrifft die Bauern, die Kurzarbeitsentschädigung wollen, weil ihre Erträge aus Direktverkäufen an Märkten weggebrochen sind. Der Bund sagt dazu, dass solche Bauern keinen Anspruch auf Entschädigung hätten, da ihr Grundeinkommen faktisch schon durch Direktzahlungen des Bundes gesichert sei.

Abgrenzungsfragen stellen sich auch bei der Erwerbsausfallentschädigung für das Gros der Corona-geschädigten Einzelunternehmer (die keine Aktiengesellschaft haben und nicht durch die Kurzarbeitsentschädigung abgedeckt sind). Die Finanzierung kommt hier nicht von der ALV, sondern aus einem separaten Bundestopf in Anlehnung an die Erwerbsersatzordnung. Der Bundesrat hat vorderhand dafür 4 Mrd. Fr. gesprochen. Eine erste Gruppe von Anspruchsberechtigten sind hier jene Unternehmen, deren Tätigkeit durch den Bundesrat zurzeit verunmöglicht ist. Das betrifft etwa Veranstaltungsmanager, viele Detailhändler sowie Dienstleister mit nahen physischen Kundenkontakten wie etwa Coiffeure, Yoga-Lehrer und Kosmetikerinnen. Abgedeckt sind auch Künstler, die wegen des Verbots von Veranstaltungen nicht mehr auftreten können.

Nicht abgedeckt durch diese Sozialleistung sind dagegen im Prinzip Dienstleister, die «Sekundäreffekte» der Krise spüren – wie zum Beispiel Berater, die auch einen drastischen Nachfrageeinbruch verzeichnen. Der Bund liefert dazu zwei Relativierungen: Die kantonalen Ausgleichskassen würden Gesuche «wohlwollend» interpretieren, und falls sich herausstellen sollte, dass wesentliche Gruppen durch die Maschen des geplanten Sicherheitsnetzes fielen, werde eine Verdichtung des Netzes zum Thema. Insgesamt gibt es in der Schweiz etwa 330 000 Einzelunternehmen. Laut einer heroischen (weil wackligen) Annahme des Bundes könnten etwa 60 000 Selbständige, die von Regierungsmassnahmen direkt betroffen sind, Erwerbsausfallentschädigung beanspruchen.

Anspruch auf Taggelder haben überdies Erwerbstätige, die wegen Schulschliessungen ihre Kinder betreuen müssen; bei Selbständigen ist der Anspruch auf 30 Taggelder bis Ende September beschränkt, bei Angestellten gibt es keine Beschränkung. Hinzu kommen Taggelder für Erwerbstätige in Quarantäne. Insgesamt schätzt der Bund, dass etwa 160 000 Erwerbstätige Anspruch auf Corona-Erwerbsersatzleistungen haben könnten. Die ersten Zahlungen unter diesem Titel fliessen laut Bund wohl Ende März oder Anfang April.

Nach oben offen

Die Gesamtkosten aus den genannten Sozialleistungen lassen sich noch kaum abschätzen, da sie von der Dauer der Virus-Krise und dem Ausmass der Gegenmassnahmen abhängen. Aus heutiger Sicht mag die Bandbreite der vom Staat zu tragenden Kosten von 10 Mrd. bis über 50 Mrd. Fr. reichen. Hinzu kommen über die kommenden Jahre noch Verluste wegen der Bundesgarantie für Überbrückungskredite der Banken an Betriebe mit Liquiditätsengpässen von bis zu 20 Mrd. Fr. Innerhalb der kommenden Wochen ist auch noch eine zusätzliche Garantie in Milliardenhöhe für die Fluggesellschaft Swiss und allenfalls für verwandte Betriebe denkbar.

Der Bund verfügt laut eigenen Angaben über Liquidität von 20 bis 30 Mrd. Fr. Im Bedarfsfall wären gemäss Bundeseinschätzung auch Fremdkapitalaufnahmen im grossen Umfang gut möglich – kurzfristig am Geldmarkt, für längerfristige Mittel am Kapitalmarkt.

Dieser Artikel ist am 22. März 2020 auf der Plattform www.nzz.ch erschienen.

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