Strom statt Dieselwolken: Ein Schweizer Startup entwickelt Elektro-Baumaschinen Bagger oder Kipper stossen enorme Schadstoffmengen aus. Ein von ETH-Studenten gegründetes Unternehmen elektrifiziert Baumaschinen für Kunden aus der ganzen Welt. Doch in der Schweiz harzt es noch.

Bagger oder Kipper stossen enorme Schadstoffmengen aus. Ein von ETH-Studenten gegründetes Unternehmen elektrifiziert Baumaschinen für Kunden aus der ganzen Welt. Doch in der Schweiz harzt es noch.

Leise, umweltfreundlich und ebenso stark wie die Dieselversion: Der erste elektrische Raupenkran der Welt wurde in der Schweiz mitentwickelt. (Bild: PD)

Am Empfang des Jungunternehmens in Schlieren ZH fällt als Erstes ein riesiges Legomodell auf. Es zeigt einen gewaltigen Raupenkran des Weltkonzerns Liebherr. Die Mitarbeiter von Suncar haben die 2833 Legoteile an einem Teamevent zusammengebaut, wie Geschäftsführer Josua Haas bei der Begrüssung erklärt. Jetzt erinnert es sie Tag für Tag an einen der wichtigsten Erfolge des Unternehmens: Suncar war bei Liebherr entscheidend an der Entwicklung des weltweit ersten batteriebetriebenen Raupenkrans beteiligt.

Die Schweizer Spezialisten entwickelten das batteriebetriebene System, mit dem sich das 212 Tonnen schwere Gefährt bewegt. Zudem begleiteten sie die Erarbeitung der nötigen Software, mit welcher alle neuen Komponenten angesteuert werden. Im riesigen Gefährt stecken aber nicht nur haufenweise Ideen der Suncar-Ingenieure. Sondern auch von ihnen selbst entwickelte Komponenten, etwa für die Verteilung des Stroms.

Der elektrifizierte Kran steht seinem mit Diesel betriebenen Doppelgänger in nichts nach. Er hebt bis zu 250 Tonnen schwere Lasten. Vier Stunden reicht seine Batterie, im besten Fall dauert es nur gerade zweieinviertel Stunden, um sie wieder zu laden.

Über 350 Raupenbagger im Einsatz

In der Nähe des Legomodells zeigt ein Bildschirm die Standorte aller Fahrzeuge und Maschinen, die mit der Technologie und der Software aus der Schweiz laufen. Über 350 batterieelektrische Raupenbagger kann Suncar dank seinem Diagnosetool heute aus der Ferne warten. Besonders viele sind es in Norwegen und den Niederlanden. Der Grund dafür: Dort gab es schon früh Fördergelder für das Umstellen auf elektrische Baumaschinen. Auch in Japan und in Australien stehen von Suncar entwickelte oder mitentwickelte Maschinen im Einsatz.

Einzig in der Schweiz herrscht Flaute – auch wenn es unterdessen im Heimmarkt schneller vorangehe, sagt Haas. 162 Millionen Liter Diesel verbrennen Baumaschinen hier jedes Jahr, rund drei Prozent des gesamten Landesverbrauchs. Von den Treibhausgasemissionen, die eine Baustelle verursacht, stammen zwischen 10 und 30 Prozent aus der Nutzung fossiler Brennstoffe, wie die SBB kürzlich errechnet haben.

Versuch mit den SBB

Die SBB haben auf einer Baustelle in Minusio einen Pilotversuch mit elektrischen Baufahrzeugen durchgeführt. Mit Erfolg, wie es vonseiten der Bundesbahnen heisst. Die Maschinisten schätzten insbesondere den elektrischen Bagger. Nicht nur, weil dieser keine Abgase ausstösst. Sondern weil er viel leiser unterwegs ist. Das erleichterte den Bauarbeitern die Verständigung. Und erlaubte es ihnen, während der Arbeit in angenehmer Lautstärke Radio zu hören.

Entstanden ist das Unternehmen aus einem sogenannten Fokusprojekt der ETH, bei dem sich Studierende 2010 die Aufgabe stellten, einen Rennwagen mit einem Elektroantrieb auszurüsten. Bald merkten die Tüftler, dass das Interesse an ihren Ideen insbesondere in der Baumaschinenbranche gross war.

Denn bei Baumaschinen, die jeden Tag im Dauereinsatz stehen, ist die Elektrifizierung besonders schwierig. Die Anforderungen an die Robustheit sind unvergleichlich viel höher als bei Personenwagen. 2015 wurde dann mit Beteiligung eines österreichischen Baumaschinenhändlers das Startup gegründet. Heute ist Suncar bei der Elektrifizierung von Baumaschinen nach eigenen Aussagen weltweit führend.

Das Unternehmen produziert allerdings nur Prototypen oder Kleinserien, für die es mit unterschiedlichen Herstellern zusammenarbeitet. Suncar ist eigentlich eine Art von externer Entwicklungsabteilung, die von unterschiedlichen Fahrzeugherstellern Aufträge erhält. Das Unternehmen plant dann die Elektrifizierung von Grund auf. So muss zum Beispiel nicht nur die Führerkabine gekühlt oder geheizt werden können. Sondern auch die Batterie, damit sie bei jeder Aussentemperatur optimal funktioniert.

Elektrisches Feuerwehrauto

Die Aufträge und die Ideen gehen den Tüftlern in Schlieren nicht aus. Gemeinsam mit dem Schweizer Hersteller Meili haben sie Kommunalfahrzeuge elektrifiziert – die kleinen Gefährte werden in Gemeinden zum Beispiel für die Reinigung des öffentlichen Raums eingesetzt. Mit einer anderen Firma entwickelte Suncar elektrische Cargoschlepper für Flughäfen. Diese ziehen die Luftfrachtcontainer übers Rollfeld – mit Strom statt mit Diesel.

Derzeit arbeiten die Spezialisten gerade an elektrischen Versionen eines Feuerwehrautos, eines Pistenfahrzeugs und einer Teermaschine für Autobahnen. Suncar will aber nicht nur den Antrieb der Fahrzeuge optimieren, sondern auch deren Einsatz: So können die Schwenkbewegungen von Baggern elektronisch eingeschränkt werden, damit ihre Arme nicht in Gefahrenzonen geraten können. Sensoren und Software können zudem dafür sorgen, dass die Bagger automatisch und damit besonders effizient schaufeln.

An zwei Standorten in Schlieren arbeiten inzwischen 50 Leute in der Forschung und Entwicklung. Rund 20 Prozent wuchs das Unternehmen in den letzten drei Geschäftsjahren jeweils. Die vor kurzem bezogene neue Halle beim Bahnhof Schlieren droht bereits wieder zu klein zu werden.

Geschäftsleiter Haas ist erfreut über das konstante Wachstum – obwohl es auch grosse Herausforderungen bringe, etwa bei der Personalsuche. «Es gibt schlicht keine Experten auf dem Stellenmarkt, die sich bereits länger mit der Entwicklung elektrischer Baumaschinen beschäftigen», sagt er. Den Ingenieuren stellen sich völlig neue Herausforderungen. Sie müssen zum Beispiel in 3-D-Modelle der Fahrzeuge eintauchen und dort virtuell Stromkabel verlegen – so lange, bis die beste Lösung für die Verkabelung der oftmals riesigen Maschinen gefunden ist.

Rafa Nadal gegen Will Smith

Trotz seinen Erfolgen ist das Jungunternehmen praktisch unbekannt geblieben. Doch vor kurzem gab es für die Schweizer Tüftler doch etwas Rampenlicht. Eine ihrer Komponenten macht das Schnellladen von elektrischen Rennbooten möglich. Die Technologie ist ein essenzieller Bestandteil der ersten rein elektrischen Boots-Rennserie der Welt. In dieser kämpfen etwa Schauspieler Will Smith, Tennislegende Rafael Nadal und Footballspieler Tom Brady mit eigenen Teams um Punkte.

Letztes Wochenende rasten die kleinen Boote durch die Lagune Venedigs. Der siebenfache Super-Bowl-Gewinner Brady war extra dafür eingeflogen und konnte mit seinem Team den Sieg feiern. Josua Haas freute sich auch – für seine Firma: «Dank der Rennserie wird unsere Arbeit für einmal in der Öffentlichkeit etwas sichtbarer», sagt er.

Jürg Meier, «Neue Zürcher Zeitung»

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