Beim einst gefeierten Startup South Pole geht es drunter und drüber: Der Abgang des Firmenchefs Renat Heuberger soll für Ruhe sorgen Das Zürcher Unternehmen South Pole verdient sein Geld mit CO2-Zertifikaten. Seit einiger Zeit steht die Firma jedoch in der Kritik. Der Mitgründer und Firmenchef muss nun seinen Hut nehmen.

Das Zürcher Unternehmen South Pole verdient sein Geld mit CO2-Zertifikaten. Seit einiger Zeit steht die Firma jedoch in der Kritik. Der Mitgründer und Firmenchef muss nun seinen Hut nehmen.

Renat Heuberger ist einer der Mitgründer der Firma South Pole, die in den vergangenen Jahren zu einem der grössten Akteure am Markt für CO2-Zertifikate aufgestiegen ist. (Bild: South Pole)

Das in Zürich angesiedelte Unternehmen South Pole zieht die Reissleine: Der Firmenchef und Mitgründer Renat Heuberger werde seinen Posten mit sofortiger Wirkung abgeben, heisst es in einer Mitteilung des Unternehmens, das mit CO2-Zertifikaten sein Geld verdient. Für den Übergang wird John Davis, der derzeitige kommerzielle Leiter der Region Asien-Pazifik, den Chefsessel einnehmen. Die Suche nach einem neuen Firmenchef wurde eingeleitet.

Waldschutzprojekte in der Kritik

Der Abgang kommt abrupt, er ist aber nicht unerwartet. Das Unternehmen steht seit einiger Zeit in der Kritik. South Pole war lange ein Liebling von Investoren und der Marktführer bei CO2-Zertifikaten. Das Unternehmen entwickelt weltweit Klimaprojekte. Die damit eingesparten Tonnen CO2 verkauft oder vermittelt South Pole dann in Form von Zertifikaten an seine Kunden. Firmen können so freiwillig ihre eigenen Emissionen wettmachen und von sich behaupten, klimaneutral zu sein.

Das 2006 gegründete Unternehmen begann als kleines Startup mit wenigen Mitarbeitern. Heute beschäftigt South Pole rund 1200 Mitarbeiter in mehr als 30 Ländern und zog Investoren wie den singapurischen Staatsfonds Temasek, die amerikanische Softwarefirma Salesforce, die Swisscom und die Private-Equity-Gesellschaft Lightrock der Fürstenfamilie Liechtensteins an. South Pole galt als ein Einhorn, ein Jungunternehmen, das mehr als 1 Milliarde Dollar wert ist.

South Pole geriet jedoch in jüngerer Zeit in die Negativschlagzeilen: Medien und Nichtregierungsorganisationen warfen dem Unternehmen mit dem Pinguin im Logo vor, seine Versprechen nicht einzuhalten. So seien beim Waldschutzprojekt Kariba in Simbabwe Millionen Tonnen von CO2 nur auf dem Papier eingespart worden. «Weil das Projekt so durch den Dreck gezogen wurde, können wir keine weiteren Zertifikate verkaufen», sagte der damalige South-Pole-Chef Heuberger im Interview mit der NZZ im Mai.

Ende Oktober stieg South Pole aus dem Kariba-Projekt aus. Die Organisation Verra, die das Projekt zertifiziert hatte, leitete eine Untersuchung ein. Solche Waldschutzprojekte haben schon länger ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ein Grund dafür ist, dass anhand von komplexen Modellen vorausgesagt werden muss, wie viel Wald abgeholzt werden könnte in einem gewissen Zeitraum – und wie viel Wald dementsprechend gerettet werden kann. Die Annahmen und damit auch die Anzahl der CO2-Zertifikate können sich aber ändern.

Die neue Position eines Risikochefs

South Pole verfolgt jedoch nicht nur Waldschutzprojekte, sondern revitalisiert landwirtschaftliche Böden in Deutschland, erneuert Teakbäume in Mexiko, nutzt Biogas für sauberes Kochen in Indien oder unterstützt Laufwasserkraftwerke in abgelegenen Regionen in China. Für weitere Unruhe im Unternehmen sorgten jedoch auch offenbar Geheimverträge mit Erdöl- und Erdgasunternehmen, die bei South Pole Zertifikate zur Kompensation einkauften. Die Geschäfte wurden zunächst öffentlich nicht eingestanden, was auch Mitarbeiter befremdete, die die Zusammenarbeit mit Erdölfirmen als «unethisch» brandmarkten.

Die Probleme von South Pole werden dem Gründer und nun Ex-Firmenchef Heuberger angelastet. Heuberger wird jedoch weiterhin als Berater der interimistischen und zukünftigen Geschäftsleitung fungieren. Christoph Grobbel, ein weiterer Mitgründer, wird seine operative Tätigkeit aufgeben und sich auf die Funktion als Präsident des Verwaltungsrates konzentrieren. Kurz zuvor kündigte auch Bastien Girod, Grünen-Nationalrat und Chef des Europa-Geschäfts von South Pole, seinen Rücktritt über Linkedin an.

Innerhalb des Verwaltungsrates wird die Position von Cornelius Walter gestärkt, der als Vizepräsident die Verbesserung der Unternehmensführung sowie des Risiko- und Qualitätsmanagements vermehrt unterstützen soll. Diese Verschiebung könnte darauf hinweisen, dass der Druck auf Heuberger zum Teil von Lightrock kam. Walter ist auch Berater des Investitionsvehikels aus Liechtenstein. South Pole wollte sich dazu nicht äussern.

Das Unternehmen will neu die Position eines Risikochefs schaffen. Damit ist auch die wichtigste strukturelle Änderung für das Unternehmen benannt. South Pole wuchs in den vergangenen Jahren rasant. In der Branche wurde deshalb auch gemutmasst, dass die Qualität der Unternehmensführung mit dem Wachstum nicht habe Schritt halten können. Wie die Veränderungen an der Spitze zeigen, ortet South Pole selbst ein Defizit bei der Einschätzung von Risiken.

Hoffen auf klarere Regeln

Mit den Problemen des Zürcher Unternehmens geriet auch verstärkt der Markt für freiwillige CO2-Kompensationen ins Gerede. Dabei werden CO2-Zertifikate allerdings häufig aus ideologischen Gründen schlechtgeredet. Das Grundprinzip des Emissionshandels ist dabei einfach: Weil der Klimawandel ein globales Problem darstellt, hat es keine Bedeutung, ob beispielsweise die Schweiz die Emissionen im In- oder im Ausland senkt. Vielmehr sollte es dort geschehen, wo es am günstigsten ist. Was für Länder gilt, trifft prinzipiell auch für Unternehmen zu, die verbindliche oder unverbindliche Reduktionsziele verfolgen.

Beim Klimagipfel in Glasgow vor zwei Jahren war es zu einer grundsätzlichen Einigung über die Regeln für den internationalen Handel mit Emissionsgutschriften gekommen, bekannt als Artikel 6. Details müssen aber noch ausgearbeitet werden. Unternehmen wie South Pole und andere Projektentwickler hoffen darauf, dass der Markt für Kompensationen durch eine klarere Regulierung Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wird.

Gerald Hosp, «Neue Zürcher Zeitung»

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