Kleinere Läden, bessere Onlineshops: Die Heimelektronikhändler stellen sich auf eine Durststrecke ein Tiefe Margen und gesättigte Konsumenten zwingen die Branche zum Umdenken. Während die Migros-Tochter Melectronics das Filialnetz strafft, denkt Media Markt über kleinere Geschäfte in Schweizer Innenstädten nach.

Tiefe Margen und gesättigte Konsumenten zwingen die Branche zum Umdenken. Während die Migros-Tochter Melectronics das Filialnetz strafft, denkt Media Markt über kleinere Geschäfte in Schweizer Innenstädten nach.

(Bild: Gunnar Sigurðarson auf Unsplash)

Aus Sicht der Nostalgiker sind die heutigen Teenager zu bedauern: Es wird immer schwieriger, sich an schulfreien Nachmittagen zwischen den endlosen Regalen eines grossen Heimelektronik-Warenhauses zu verlieren, ganz einfach, weil es weniger von diesen Läden gibt. Im Trend sind – wenn überhaupt – kleinere Geschäfte.

Während der diesjährigen Black Week hat die Branche zwar einen Verkaufsrekord erzielt. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich auf härtere Zeiten einstellen muss. Die Umsätze mit Heimelektronik lagen in der Rabattwoche nämlich nur wenig höher als im Vorjahr, zudem war das Plus hauptsächlich teureren Smartphones zu verdanken. Die Schweizer gaben im Schnitt 600 Franken für ein solches Gerät aus. Im Vorjahr waren es erst 515 Franken.

Gesättigte Konsumenten

Dass es nicht nur aufwärtsgeht, zeigen die rückläufigen Verkäufe von Fernsehern oder Computern. Dies sind Anzeichen für eine Sättigung. Nachdem sich die Konsumenten in der Corona-Zeit mit neuen Geräten belohnt haben, brauchen sie nicht schon wieder neue Ware.

«Es ist zu erwarten, dass sich der Markt für Heimelektronik in den nächsten zwei Jahren leicht negativ entwickeln wird», sagt Luca Giuriato vom Marktforschungsinstitut GfK. Er schätzt, dass sich erst ab 2025/2026 wieder eine Erholung abzeichnet.

Vor allem zwei Gründe zwingen die Händler zum Umdenken:

Erstens ist in keinem anderen Bereich der Onlineanteil höher als bei der Unterhaltungselektronik. Mehr als die Hälfte der Umsätze läuft heute schon über diesen Kanal – Tendenz steigend. Zum Vergleich: Bei Kleidern und Spielwaren sind es laut GfK knapp unter 30 Prozent.

In der Schweiz billiger als im Ausland

Zweitens sind die durchschnittlichen Margen der Händler tief, auch weil der Wettbewerb stark über die Preise geführt wird. Immerhin müssen sich hiesige Anbieter keine Sorgen wegen Einkaufstourismus machen. In der Regel sind Elektronikprodukte in der Schweiz billiger als im grenznahen Ausland.

Was ein hoher Onlineanteil und tiefe Margen für die Händler bedeutet, ist klar: Es rechnet sich immer weniger, ein grosses Filialnetz aufrechtzuerhalten. Darum passen Coop und Migros ihre Strategie im Elektronikbereich an. Sie gehen dabei aber unterschiedliche Wege.

Coop betreibt als grösster Akteur mit den Tochterfirmen Interdiscount und Fust 323 Filialen. Allerdings, und das mag überraschen, werden die beiden Marken auch 16 Jahre, nachdem Coop Fust (inklusive Eschenmoser) von Jelmoli übernommen hat, als eigenständige Firmen geführt. Sie haben beispielsweise separate Logistikzentren.

Coop begründet dies mit der unterschiedlichen Ausrichtung: Während Interdiscount in der Heimelektronik stark ist, steht Fust vor allem für Elektrohaushaltgeräte. Eine grundsätzliche Änderung dieser dualen Strategie scheint momentan unwahrscheinlich.

Von 25 auf 8 XXL-Interdiscount-Läden

Hingegen ist Interdiscount daran, das Filialnetz an das veränderte Kundenverhalten anzupassen. Der Trend ist eindeutig: Die Anzahl der XXL-Geschäfte ist von einst 25 Filialen auf gerade noch acht zurückgegangen. Zudem sieht das neue Konzept für die normalen Läden ein deutlich kleineres Sortiment vor.

Umgebaut wird auch der Onlinebereich der Coop-Gruppe. Nach dem millionenteuren Flop mit der Plattform Siroop hat man mittlerweile den Anspruch aufgegeben, einen grossen Onlinemarktplatz aufzubauen.

Auch das Experiment, die Marke Microspot im Onlinehandel für mehr als nur IT-Zubehör zu etablieren, wurde abgebrochen. Bis im Frühling 2024 soll es online nur noch das Interdiscount-Portal geben. Mit dem Nebeneffekt, dass so auch die Kannibalisierung der zwei Onlineshops der Gruppe wegfällt. Microspot war oft günstiger als Interdiscount.

Der Schritt wirft die Frage auf, ob damit auch die Tage des bei Fust angesiedelten Onlinehändlers Nettoshop.ch gezählt sind. Auf Anfrage heisst es bei Coop nur, es gebe «derzeit keine Pläne», diesen aufzugeben.

Kostenfaktor Suchmaschinenwerbung

David Morant von der Beratungsfirma Carpathia weist auf einen wichtigen Kostenfaktor im Onlinegeschäft hin: Suchmaschinenwerbung. «Wenn mehrere Shops aus derselben Firma Google dafür bezahlen müssen, um sich gegenseitig preislich zu unterbieten, ist das absurd.»

Während Coop die Ansprüche in Sachen Online zurückgeschraubt hat, ist es der Migros-Tochter Digitec gelungen, bei den Verkäufen von Elektronik über das Internet zu einer festen Grösse zu werden. Mit einem geschätzten Umsatz von 1,1 Milliarden ist diese Plattform klar grösser als die vier Elektronikportale der Coop-Gruppe zusammen (rund 700 Millionen). Wieweit Digitec schon profitabel ist, gibt die Firma nicht bekannt. Kosten verursachen dürfte derzeit jedenfalls der Ausbau von Ablegern im europäischen Ausland.

Das Sorgenkind bei Migros ist hingegen der stationäre Elektronikhandel. Unter dem Titel «Melectronics stärkt sich für die Zukunft» hat der Detailhändler Anfang Jahr eine Straffung des Filialnetzes angekündigt und will einen Teil der Läden mit einem stark reduzierten und auf Haushaltsgeräte und die Eigenmarke Miostar fokussierten Sortiment in ihre Supermärkte integrieren.

Wie tiefgreifend die Folgen für die Ende 2022 noch 98 Melectronics-Läden sein werden, will die Migros erst nach Umsetzung der Strategie im ersten Quartal 2024 sagen. Radikal geschrumpft hat der Detailhändler bereits das Filialnetz von Ex Libris. Von einst 100 Buchhandlungen sind heute noch 15 übrig.

Wenn kleinere Filialen und mehr Onlinehandel die Zukunft sind, dann gibt das ganz besonders Media Markt zu denken. Die Strategie der deutschen Kette war traditionell auf den stationären Handel mit besonders grossen Filialen ausgerichtet.

Kleine Media-Markt-Läden für die Innenstädte?

«Ich will es nicht beschönigen: Wir haben zu spät genügend in das Onlinegeschäft investiert», sagt Stefan Fraude, seit Anfang Jahr Chef von Media Markt Schweiz. Abhilfe schaffen will der ehemalige Digitec-Manager mit einem neuen Onlineshop, der im kommenden Frühling den Betrieb aufnehmen soll. Geplant ist, dass dieser Ende 2024 mit einem Marktplatz ergänzt wird, so dass also auch Drittanbieter ihre Waren über die Plattform verkaufen können.

Bezüglich Filialen macht sich Fraude Gedanken über neue Formate: Zusätzlich zu den 25 bestehenden Märkten sollen kleinere Geschäfte an Hochfrequenzlagen in Innenstädten eröffnen. Solche Läden könnten dann auch für Abholungen und Rücksendungen von Onlinebestellungen dienen. In anderen Ländern hat Media Markt auch schon extragrosse «Lighthouse»-Filialen mit Shops von Markenherstellern eingeführt. Ob das Konzept in die Schweiz kommt, ist offen.

In bestehenden Media-Markt-Häusern will Fraude das Dienstleistungsangebot stärker in den Vordergrund rücken, also etwa das Aufsetzen von Elektronikgeräten, kleine Reparaturen oder Heimlieferung und Installation.

Dass ein Teil der Kundschaft bereit ist, für einen besseren Service höhere Preise in Kauf zu nehmen, weiss man im traditionellen Fachhandel schon lange. «Das ist der Grund, warum die kleinen Geschäfte, anders als man meinen könnte, noch nicht verschwunden sind», sagt der GfK-Experte Giuriato. Der Marktanteil dieser Anbieter sei in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben. Im Bereich TV/Audio entfallen fast ein Viertel der Verkäufe auf diese Kategorie von Läden, im Fotobereich sei es gar noch rund ein Drittel.

Dieter Bachmann, «Neue Zürcher Zeitung»

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