Unbediente Bio-Shops müssen in Luzern jetzt um 19 Uhr schliessen Unbediente Läden mit landwirtschaftlichen Produkten treffen den Zeitgeist und wären eine Chance für geplagte Bauern. Wieso der Kanton Baselland hier vorbildlich ist und Luzern falsch liegt.

Unbediente Läden mit landwirtschaftlichen Produkten treffen den Zeitgeist und wären eine Chance für geplagte Bauern. Wieso der Kanton Baselland hier vorbildlich ist und Luzern falsch liegt.

Direktverkauf hilft den Bauern und trifft auf rege Nachfrage. (Bild: Patrick Hürlimann / LZM)

Wer kennt es nicht? Man ist zum Sonntagsbrunch eingeladen und merkt zu spät, dass ein Mitbringsel fehlt. Glück hat, wer unterwegs an einem Verkaufscontainer von Rüedu, Bioflix oder an einem anderen Laden eines landwirtschaftlichen Startups vorbeikommt. Man registriert sich mit dem Handy, und die Tür öffnet sich. Das Sortiment reicht vom Schüblig über Bio-Käse, getrocknete Apfelringe und hausgemachten Sirup bis zu diversen Spezialitäten aus der Region. Für den eigenen Kühlschrank kauft man vielleicht noch Biomilch, Lammracks und frisches Gemüse.

 

Rigide Regeln stoppen Innovation

Pech hat, wer in der Region Luzern zu Hause ist. Ausgerechnet im Kanton, in dem jedes dritte Schwein der Schweiz lebt, dürfen die Bauern Würste und Koteletts nur noch zu vorbestimmten Zeiten unters Volk bringen. Obwohl die kleinen Läden kein Personal beschäftigen, müssen sie abends um 19 Uhr schliessen und sonntags ganz geschlossen bleiben. Die Bedürfnisse der Kundschaft spielen keine Rolle. Das kantonale Ladenschlussgesetz sehe das so vor, hat das Justizdepartement Kanton Luzern kürzlich entschieden.

Das ist grotesk. Wer soll mit solchen Vorschriften wovor geschützt werden? Der Schutz der Arbeitnehmer ist bereits im eidgenössischen Arbeitsgesetz geregelt. Nachtarbeit und Sonntagsarbeit sind untersagt, Ausnahmen benötigen eine Bewilligung. Ausser man ist Geschäftsinhaber oder gehört zur engsten Familie des Ladenbesitzers.

Seit Wochen protestieren die Schweizer Bauern mit ihren Traktoren, weil sie faire Preise für ihre Produkte fordern. Der Grosshandel gewähre ihnen das nicht. Sie sollten Nischen suchen, heisst es jeweils, und sie sollten ihre Produkte doch direkt bei der Kundschaft vermarkten. Tatsächlich entdeckten während der Pandemie viele Landwirte das Internet als neuen Absatzkanal.

Der Online-Boom ist allerdings vorbei. Die Konsumenten kaufen wieder spontaner ein, und sie wollen die Lebensmittel begutachten, bevor sie sie auswählen. Dies ermöglichen verschiedene Startups mit ihren kleinen Läden für regionale bäuerliche Produkte. Dass sie sich nicht an die gleichen Öffnungszeiten halten müssen wie Migros und Coop, ist ihre Chance. Da kein Personal vor Ort ist, ist das auch problemlos möglich. Dank der neu gefundenen Nische können viele Bäuerinnen und Bauern ihre Spezialitäten wieder direkt vermarkten. Die Nachfrage ist da: Immer öfter begegnet man am Strassenrand solchen Selbstbedienungs-Containern aus heimeligem Holz. Die Idee, regionale Lebensmittel jederzeit zentral verfügbar zu machen, trifft den Zeitgeist.

Baselland wirft Ladenschluss über Bord
 

Luzern bremst die unternehmerischen Landwirte mit seiner Bürokratie. Es gibt aber auch Kantone, die nicht wollen, dass alte Gesetze neue Ideen verhindern. Baselland hat sein Ladenschlussgesetz schon 1997 einfach aufgehoben. Im Halbkanton muss sich die Branche nur noch ans eidgenössische Arbeitsgesetz halten. So erübrigt sich auch die Frage, warum an jedem Bahnhof ein Verkaufsautomat steht, der rund um die Uhr zugänglich ist, ein kleiner unbedienter Laden aber abends und sonntags schliessen muss.

Im Onlinehandel kann man auch morgens um 3 Uhr eine Bestellung aufgeben. Das erhöht den Druck auf reale Läden. Gesetze, die aus vordigitalen Zeiten stammen und jetzt so ausgelegt werden, als hätte sich die Welt nicht verändert, verschärfen ihr Problem.

Wer unbedingt an fixen Ladenschlusszeiten festhalten will, sollte es wenigstens machen wie der Kanon Zürich. Er gewährt eine Ausnahme für Kleinläden mit weniger als 200 Quadratmetern Fläche. Diese Grösse würde genügen, um die Luzerner Schweine vom Rüssel bis zum Ringelschwanz an die Kundschaft zu bringen, wenn die Grossverteiler die Preise zu stark drücken.

Irène Troxler, «Neue Zürcher Zeitung»

Das könnte Sie auch interessieren: