Abstimmung zur OECD-Mindeststeuer am 18. Juni: Das würde sich bei einem Ja ändern Rund 140 Länder, einschliesslich der Schweiz, haben sich auf die Einführung einer Mindeststeuer für internationale Grosskonzerne von 15 Prozent des Gewinns geeinigt. Bundesrat und Parlament haben die Schweizer Umsetzung beschlossen. Das Volk stimmt am 18. Juni darüber ab.

Rund 140 Länder, einschliesslich der Schweiz, haben sich auf die Einführung einer Mindeststeuer für internationale Grosskonzerne von 15 Prozent des Gewinns geeinigt. Bundesrat und Parlament haben die Schweizer Umsetzung beschlossen. Das Volk stimmt am 18. Juni darüber ab.

Der Kanton Zug schätzt, dass er nach der Reform insgesamt gegen 40 Prozent der Zusatzerträge an Bund und Finanzausgleich abliefern muss. Im Bild die Stadt Zug. (Bild: Patrick Hürlimann / LZM)

Das Wichtigste in Kürze

  • Internationale Konzerne mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro müssen künftig in jedem Land eine Gewinnsteuer von mindestens 15 Prozent zahlen. Das haben rund 140 Staaten unter der Ägide des Ländervereins OECD und der Gruppe der 20 grössten Volkswirtschaften vereinbart. In der Schweiz liegt derzeit die Gewinnsteuerbelastung in der Mehrheit der Kantone unter 15 Prozent. Bundesrat und Parlament wollen deshalb für die betroffenen Firmen eine spezielle Ergänzungssteuer einführen, welche die Gesamtbelastung auf 15 Prozent bringt.
  • Die Reform verlangt eine Änderung der Bundesverfassung und damit eine Volksabstimmung. Die Schweizer Umsetzung der globalen Mindeststeuer ist im Prinzip kaum umstritten. Doch der grosse Streitpunkt im Parlament war die Verteilung der Erträge aus der Ergänzungssteuer. Der Bundesrat schätzt die Zusatzerträge ohne Berücksichtigung von Verhaltensänderungen der Firmen auf 1 bis 2,5 Milliarden Franken pro Jahr. Laut Beschluss des Parlaments sollen 75 Prozent der Erträge an die Kantone gehen und 25 Prozent an den Bund.
  • Die Linke hätte am liebsten 100 Prozent der Erträge dem Bund gegeben, um den Steuerwettbewerb der Kantone möglichst stark einzuschränken. Einen Bundesanteil von 50 Prozent hätten viele Linke auch akzeptiert, doch angesichts des Parlamentsbeschlusses zu einem Bundesanteil von 25 Prozent hat die SP die Nein-Parole beschlossen. Die Gegner setzen darauf, dass das Parlament bei einem Volks-Nein rasch eine Nachfolgevorlage mit einem Bundesanteil von mindestens 50 Prozent beschliesst. Der Bundesrat warnt aber davor, dass dies nicht mehr rechtzeitig möglich sei und ein Volks-Nein deshalb Einnahmeneinbussen bringe.

Die Vorlage im Detail

1. Darüber stimmen wir ab

Viele Länder wollen den internationalen Steuerwettbewerb beschränken, um ein höheres Steuerniveau zu ermöglichen. Der Länderverein OECD und die Gruppe der zwanzig grössten Volkswirtschaften (G-20) haben sich in einer Art Kartellabsprache über eine Mindestbesteuerung internationaler Grosskonzerne geeinigt. Solche Firmen mit einem weltweiten Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro müssen künftig in jedem Land, in dem sie Geschäftseinheiten haben, mindestens 15 Prozent des dortigen Gewinns als Steuern bezahlen.

Rund 140 Staaten machen mit. Für die einzelnen Länder ist die Mindestbesteuerung zwar keine Pflicht. Aber wenn ein betroffener Konzern zum Beispiel in der Schweiz nur 12 Prozent Gewinnsteuern zahlen muss, können stattdessen andere Länder, in denen der Konzern auch Geschäftseinheiten hat, die Differenz von 3 Prozentpunkten zum globalen Mindestsatz abschöpfen. Deshalb haben alle Länder mit Sätzen unter 15 Prozent ein starkes Interesse, selber die Steuer auf das globale Minimum zu erhöhen.

In der Schweiz liegen zurzeit die ordentlichen Gewinnsteuersätze in 18 von 26 Kantonen unter 15 Prozent. Zudem ist in gewissen Fällen auch in Kantonen mit höheren Gewinnsteuersätzen wegen spezieller Vergünstigungen zum Beispiel bei der Besteuerung von Erträgen aus geistigem Eigentum eine Gesamtbelastung unter 15 Prozent möglich. Die vom Parlament beschlossene Schweizer Umsetzung der globalen Mindeststeuer bringt die Einführung einer speziellen Ergänzungssteuer für jene Firmen, die von der globalen Mindeststeuer betroffen sind und in der Schweiz bisher eine Gesamtbelastung unter 15 Prozent hatten. Bei einer derzeitigen Steuerbelastung von zum Beispiel 13 Prozent würde die Ergänzungssteuer 2 Prozent des anrechenbaren Gewinns ausmachen.

Betroffen von dieser Ergänzungssteuer sind laut Schätzung des Bundes ungefähr 200 internationale Schweizer Konzerne sowie etwa 2000 Schweizer Ableger von ausländischen Grosskonzernen. Für alle anderen Firmen und damit auch für alle Klein- und Mittelbetriebe ist keine Steuererhöhung vorgesehen. Der Bund rechnet ohne Berücksichtigung von Verhaltensänderungen der betroffenen Firmen mit Erträgen aus der Ergänzungssteuer von 1 bis 2,5 Milliarden Franken pro Jahr. Die Schätzunsicherheit ist allerdings gross. Und Steuererhöhungen führen meist zu gewissen Ausweichmanövern, so dass die Zusatzerträge mittelfristig tiefer ausfallen dürften als kurzfristig.

Die geplante Reform braucht eine Änderung der Bundesverfassung. Der Hauptgrund: Die Ergänzungssteuer für gewisse Grossfirmen widerspricht dem Verfassungsgrundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung. Der geplante neue Verfassungstext gibt dem Bund Kompetenz zu Sonderregeln für grosse Konzerne gemäss internationalen Standards. Die Übergangsbestimmungen geben dem Bundesrat die Kompetenz zu einer konkreten Umsetzung via Verordnung, bis das Parlament das Gesetz geändert hat. Dies soll eine Umsetzung auf Anfang 2024 im Einklang mit vielen anderen Ländern ermöglichen.

Die grösste Kontroverse im Parlament betraf die Aufteilung der erwarteten Erträge auf Bund und Kantone. Die Linke wollte am liebsten die gesamten Erträge beim Bund sehen, weil dies den Steuerwettbewerb der Kantone am stärksten einschränken würde und zusätzliche Staatsausgaben auf Bundesebene politisch eher leichter durchzubringen sind als in den Kantonen. Die SVP wollte 100 Prozent der Erträge den Kantonen geben, und die anderen Parteien lagen zwischen diesen beiden Polen. Am Ende ging es um die Frage, ob Bund und Kantone je die Hälfte erhalten sollen oder ob 75 Prozent zu den Kantonen gehen. Die zweitgenannte Variante setzte sich durch. Deshalb lehnt ein Teil der Linken die Vorlage ab. Die SP hat die Nein-Parole beschlossen, die Grünen beschlossen Stimmfreigabe.

2. Darum ist die Vorlage von Bedeutung

Die globale Mindeststeuer für Grossfirmen wird ohnehin kommen. Für Länder wie die Schweiz mit bisherigen Gewinnsteuerbelastungen unter 15 Prozent führt dies zu einer relativen Verschlechterung der eigenen Position im internationalen Standortwettbewerb. Die Schweizer Umsetzung soll aber sicherstellen, dass allfällige Zusatzerträge aus der höheren Besteuerung im Inland bleiben. Zudem erhalten die betroffenen Grossfirmen damit Rechtssicherheit.

Die von der Reform betroffenen Unternehmen sind zahlenmässig sehr ungleich auf die Kantone verteilt. Gemäss einer Studie im Auftrag der SP dürften etwa drei Viertel der Mehreinnahmen – sofern es keine Ausweichmanöver der Firmen gibt – auf vier Kantone konzentriert sein: Basel-Stadt, Zug, Zürich und Aargau. Der Bund bezweifelte diese Aussage, wagte aber mangels Daten keine eigene Schätzung. Unabhängig davon profitieren alle Kantone von den Zusatzerträgen, da die Steigerung des Einnahmenpotenzials in den Standortkantonen der betroffenen Firmen zu höheren Einzahlungen in den Finanzausgleich zugunsten finanzschwacher Kantone führt. Auch der Bund wird zusätzliche Mittel in den Finanzausgleich einzahlen.

3. Das sind die Argumente der Gegner

Laut der SP wird die Vorlage den Steuerwettbewerb der Kantone verschärfen, da die Kantone mit vielen Zusatzeinnahmen diese Mittel zu Steuersenkungen für natürliche Personen verwenden würden. Die Kritiker verweisen vor allem auf den Kanton Zug, wo derzeit eine kantonale Steuerreform mit geplanter Senkung von Einkommens- und Vermögenssteuern im Parlament diskutiert wird.

Auch die Kritiker der Vorlage wollen die globale Mindeststeuer für Grosskonzerne in der Schweiz umsetzen. Sie setzen darauf, dass nach einem Volks-Nein im Juni das Parlament rasch eine Nachfolgevorlage mit geändertem Verteilschlüssel zur Eindämmung des Steuerwettbewerbs beschliessen wird – zum Beispiel mit je hälftiger Aufteilung der Erträge auf Bund und Kantone. So könne die Schweizer Umsetzung der globalen Mindeststeuer zeitnah in Kraft treten.

Grundsätzliche Kritik an der Vorlage übten zudem die in der Alliancesud vereinigten Hilfswerke. Die globale Mindeststeuer und die Schweizer Umsetzung bringen den Entwicklungsländern laut Alliancesüd keine Zusatzeinnahmen. Die Mindeststeuer verhindere zudem kaum Gewinnverschiebungen der Firmen in die Schweiz; dafür sei der Satz von 15 Prozent viel zu tief.

4. Das sind die Argumente der Befürworter

Alle bürgerlichen Parteien, die Grünliberalen und alle Kantonsregierungen sind für die Vorlage. Auch die Städte haben sich dafür ausgesprochen. Mit einem Ja ist die Schweiz im Einklang mit den globalen Standards und sichert sich allfällige Zusatzeinnahmen. Bei einem Volks-Nein im Juni wäre es laut Finanzministerin Karin Keller-Sutter praktisch nicht mehr möglich, die geplante Ergänzungssteuer auf Anfang 2024 einzuführen. Damit könnten andere Länder betroffene Konzerne mit Steuerpflicht in der Schweiz zusätzlich belasten und die Erträge anstelle der Schweiz kassieren.

Nach einem Volks-Nein könnte man nicht gleich einen Tag später die Nachfolgevorlage bringen. Zuerst wären die Ursachen für das Nein zu analysieren und die Konsequenzen einer Nachfolgevorlage zum Beispiel mit geändertem Verteilschlüssel abzuklären. Selbst wenn das Parlament im Schnellzugstempo arbeiten und schon in der Herbstsession eine Nachfolgevorlage beschliessen würde, könnte laut der Finanzministerin die erforderliche Volksabstimmung erst im nächsten Jahr stattfinden, da wegen der Parlamentswahlen im Herbst der sonst übliche Novembertermin für Volksabstimmungen ausfalle.

Laut der Bundesverwaltung wäre zudem eine Volksabstimmung im November über eine Neuauflage rechtlich gar nicht möglich. Der Bundesrat müsse laut Gesetz Abstimmungsvorlagen mindestens vier Monate vor dem jeweiligen Urnengang festlegen. Für eine Abstimmung im November müsste demnach das Parlament die Nachfolgevorlage spätestens im Juli beschlossen haben. Ein Beschluss in der Herbstsession käme laut Bundesangaben zu spät.

Die Abstimmungsvorlage bringt laut Befürwortern beim Steuerwettbewerb der Kantone per saldo keine Verstärkung, sondern eine Dämpfung. Die Tiefsteuerkantone müssen ihre Gewinnsteuern für die betroffenen Grosskonzerne erhöhen und können nur einen Teil der Zusatzerträge für eigene Standortmassnahmen verwenden. So erhält der Bund einen Viertel der Zusatzerträge, und zudem zahlen die betroffenen Kantone mehr Geld in den Finanzausgleich. Der Kanton Zug schätzt, dass er insgesamt gegen 40 Prozent der Zusatzerträge an Bund und Finanzausgleich abliefern muss. Die in Zug geplanten Steuersenkungen für natürliche Personen würden gemäss dem kantonalen Finanzdirektor auch bei einem nationalen Volks-Nein zur OECD-Mindeststeuer kommen. Will man die Differenzen in der Finanzkraft der Kantone über die derzeitigen Instrumente hinaus verringern, wäre das angemessene Mittel laut Befürwortern nicht die Ablehnung der Schweizer Umsetzungsvorlage zur OECD-Mindeststeuer, sondern eine Korrektur am Finanzausgleich.

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