Kleine Länder wie die Schweiz sind besonders wettbewerbsfähig – Österreich fällt ab, Deutschland wird von China überholt Das Lausanner International Institute for Management Development (IMD) berechnet jährlich die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Länder weltweit. Auch dieses Jahr zeigen sich wieder klare Muster und bemerkenswerte Veränderungen.

Das Lausanner International Institute for Management Development (IMD) berechnet jährlich die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Länder weltweit. Auch dieses Jahr zeigen sich wieder klare Muster und bemerkenswerte Veränderungen.

Die Infrastruktur der Schweiz und die Verwaltung erachten die Ökonomen des IMD und die internationalen Manager als so gut, dass die Schweiz in ihrem Ranking auf Platz 2 landet. (Foto: Patrick Federi auf Unsplash)

International orientierte Unternehmen müssen bei ihren Investitionsentscheidungen eine ganze Reihe von Faktoren berücksichtigen. Sie fragen sich, wie wirtschaftsfreundlich das Umfeld an einem Standort ist, wie attraktiv der lokale Markt, wie einfach der Zugang zu ausländischen Märkten. Immer wichtiger wird dabei auch, wie gut die Infrastruktur funktioniert und wie effizient die öffentliche Verwaltung mit den Anliegen der Unternehmen umgeht.

Ein wichtiger Orientierungspunkt für alle diese Fragen ist der seit 1989 jährlich berechnete World Competitiveness Report des Lausanner International Institute for Management Development (IMD). Dieses Jahr wurden zu insgesamt 67 Ländern einerseits statistische Daten zu 164 Themen erhoben und andererseits die Einschätzung von Managern zu 92 Aspekten der Standortgunst erfragt.

 

Daraus ergeben sich eine Rangliste und ein Abschneiden in vier zentralen Fragen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit: Volkswirtschaft (Wachstum, Preise, Offenheit, Beschäftigung usw.), Effizienz des Staates, Business-Klima (inkl. Arbeits- und Kapitalmarkt) und Infrastruktur. Das Ganze ist keine exakte Wissenschaft, doch die Breite des Unterfangens zeigt ziemlich verlässlich wichtige Aspekte und Trends auf.

Acht der zehn Besten mit weniger als 11 Millionen Einwohnern

Am stärksten fällt auf, dass praktisch alle der wettbewerbsfähigsten Staaten kleine oder eher kleinere Länder sind. Offensichtlich fällt es diesen einfacher, auf die Bedürfnisse der Wirtschaft einigermassen flexibel einzugehen. Unter den ersten zehn zählen nur die Niederlande und Taiwan mehr als 10 Millionen Einwohner. Als Wirtschaftsstandort an der Spitze ist zum ersten Mal Singapur, das Dänemark auf den dritten Platz verwiesen hat. Die Schweiz konnte sich dieses Jahr vom dritten auf den zweiten Rang verbessern.

Um gut abzuschneiden, müssen die allgemeinen makroökonomischen Entwicklungen wie das Wirtschaftswachstum, das Preisniveau, der Handel oder die Beschäftigung in einem Land nicht unbedingt weltweit die dynamischsten sein. Die Schweiz schafft es hier nur auf den 12. Platz, Dänemark auf den 22., Schweden auf den 23. und Taiwan auf den 26. Platz.

Der Einäugige unter Blinden?

Wichtig ist vor allem für die westlichen Staaten, beim Business-Klima, bei der Infrastruktur und der Effizienz der Verwaltung möglichst auf die vorderen Ränge zu gelangen. Trotz verbreiteten Klagen über die Gesetzesflut, die gerade auch das Wachstum der KMU bremst, scheint die Schweiz bei der Effizienz ihrer Verwaltung immer noch der Einäugige unter den Blinden zu sein. Im IMD-Ranking schafft sie es hier auf den ersten Platz, ebenso bei der Qualität ihrer Infrastruktur.

Auf den ersten zehn Plätzen fallen die Vereinigten Arabischen Emirate auf. Sie konnten sich vor allem wegen ihrer volkswirtschaftlichen Attraktivität (Rang 2) und wegen der Effizienz ihres öffentlichen Sektors (Rang 4) um drei Plätze auf Rang sieben verbessern.

China geschäftsfreundlicher als die USA

Generell schneiden die skandinavischen Länder wegen ihrer ausgebauten Infrastruktur, der Effizienz ihrer Verwaltungen und auch ihres Business-Klimas verhältnismässig gut ab. Schweden, das sich im Gesamt-Ranking um vier Plätze auf den sechsten Platz verbessern konnte, hat inzwischen gar das weltweit viertbeste Business-Klima. Interessanterweise fallen demgegenüber die kleinen baltischen Länder ab. Litauen schafft es gerade einmal auf den 30. Platz, das digitale Estland auf den 33., und Lettland landet gar abgeschlagen auf dem 45. Negativ haben sich hier die volkswirtschaftlichen Entwicklungen nach dem Russland-Schock, aber auch das Geschäftsklima und der Zustand der Infrastruktur ausgewirkt.

Unter den grossen Ländern gelten wenig überraschend die USA als der wettbewerbsfähigste Staat. Doch auch dieser schafft es nur auf den 12. Platz. Interessanterweise werden im IMD-Ranking die volkswirtschaftlichen Entwicklungen und das Business-Klima in China derzeit wirtschaftsfreundlicher eingeschätzt als in den USA. Deswegen schneidet das Reich der Mitte unter den Grossen am zweitbesten ab und landet auf Platz 14.

Grosser Reformbedarf in Deutschland und Österreich

China schlägt damit Deutschland um Weiten, das bloss noch auf Platz 24 landet und in den vergangenen fünf Jahren um nicht weniger als 7 Plätze zurückgefallen ist. Besonders negativ fallen bei Deutschland die steuerliche Attraktivität (Rang 62 unter den 67 Ländern), aber auch die gesetzlichen Regelungen (Rang 38) oder die generelle Einstellung gegenüber dem Unternehmertum (Rang 60) ins Gewicht. Gegenüber 2023 hat die Resilienz der deutschen Wirtschaft in der Einschätzung des IMD weiter abgenommen. Kleinere und mittlere Unternehmen haben es noch schwerer, und der Protektionismus hat zugenommen.

Höchste Zeit also für ein wirtschaftsfreundliches Reformprogramm. Dass der Handel und generell die Wirtschaft in Deutschland trotz aller Unbill immer noch verhältnismässig gut laufen und Grossbritannien (Rang 26) und Frankreich (Rang 31) noch schlechter abschneiden, sollte jedenfalls kein Grund zu Selbstzufriedenheit sein.

Auch nicht zurücklehnen sollten sich Österreich und seine Regierung. Das mit 9,1 Millionen Einwohnern ähnlich kleine Land wie die Schweiz landet bei der Effizienz seiner Verwaltung abgeschlagen auf dem 40. und beim Business-Klima auf dem 29. Platz. Seine steuerliche Attraktivität muss auf dem 64. Rang schon eher als Steuerhölle bezeichnet werden, und bei den generellen Einstellungen zur Wirtschaft und zum Unternehmertum findet es sich auf dem 59. Rang in schlechter Gesellschaft mit Deutschland wieder. In den vergangenen fünf Jahren ist Österreich zudem im Gesamt-Ranking vom 16. Platz um nicht weniger als 10 Ränge zurückgefallen.

Indien und Italien haben noch viel aufzuholen

Indien befindet sich neu auf dem 39. Gesamtrang. Damit zeigt sich, dass der bevölkerungsmässig grösste Staat der Welt in Sachen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China noch viel Aufholpotenzial hat. Die Hauptgründe dafür sind die Infrastruktur, die sich in den vergangenen Jahren offenbar nicht verbessert hat (Rang 53), und die fehlende Effizienz der Verwaltung, die sich in den vergangenen fünf Jahren immerhin von Platz 50 auf 45 hochgearbeitet hat.

Beunruhigen sollte, dass die Effizienz des Staates im vielbeschworenen Italien auf dem 55. Rang noch schlechter abschneidet als Indien. Italien ist denn auch in der Gesamtrangliste um einen weiteren auf den 42. Rang zurückgefallen. Europa sollte sich in acht nehmen, um nicht schleichend immer mehr an internationaler Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Peter A. Fischer, «Neue Zürcher Zeitung»

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