Probleme hin oder her, viele Unternehmer finden immer einen Ausweg Die Covid-Pandemie und die Lieferkettenprobleme waren gestern. Heute sind es die Konjunktursorgen, der Fachkräftemangel, die Nachfolgesorgen. Die Probleme für die KMU folgen sich immer rascher. Doch diese zeigen sich sturmerprobt.

Die Covid-Pandemie und die Lieferkettenprobleme waren gestern. Heute sind es die Konjunktursorgen, der Fachkräftemangel, die Nachfolgesorgen. Die Probleme für die KMU folgen sich immer rascher. Doch diese zeigen sich sturmerprobt.

(Bild: Johnson Wang auf Unsplash)

Die Probleme schneller lösen, als sie kommen. Die Schweizer KMU haben offensichtlich das Patentrezept gefunden, allen Stürmen zu trotzen. Die ­Widerstandskraft der Schweizer KMU war und ist in der Tat auch in den letzten schwierigen Jahren beeindruckend. Welche Schwierigkeiten auch auftauchten, die KMU konnten sie bewältigen. Weder die Covid-Pandemie, der Ukrainekrieg, der Fachkräftemangel, die explodierenden Energiepreise, der starke Franken noch die stockende Konjunktur haben sie aus der Bahn werfen ­können.

«Die unterdurchschnittliche Entwicklung im vergangenen Jahr hat gemäss unseren Zahlen die Anzahl Firmenkonkurse im KMU-Sektor jedenfalls nicht erhöht», stellt Philippe Obrist, Leiter Firmenkunden bei Raiffeisen Schweiz, fest. Und nach dem ersten Quartal des laufenden Jahres folgert Stefan Kühn, Leiter Regional­direktion Zürich-Ostschweiz, Mitglied der Geschäftsleitung und Partner bei BDO: «Grundsätzlich steht es um die Schweizer KMU nach wie vor sehr gut. Sie haben sich im schwierigen Marktumfeld der letzten Jahre grösstenteils gut behaupten können und sich als resilient erwiesen». Nicht zuletzt der stetig steigende Franken habe die Schweizer KMU gezwungen, produktiver zu sein als ihre Konkurrenten im Ausland.

Noch in den Sommermonaten des letzten Jahres hatten die kleinen und mittleren Betriebe über zunehmende Absatzsorgen geklagt. Die Geschäftsperspektiven hatten sich damals rasch eingetrübt. Die Erwartungen waren ähnlich schlecht wie während der Coronapandemie. Heute sieht die Lage deutlich entspannter aus. Aber nicht völlig entspannt. Noch immer machen den KMU der starke Franken, hohe Energie- und Rohstoffpreise und die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen auf ihr Geschäft zu schaffen. Neu kommt nach Ansicht von Kühn die Notwendigkeit hinzu, sich über Nachhaltigkeitsregulierungen in ihren Zielmärkten zu informieren. «Die Komplexität internationaler Vorschriften könnte bei einigen KMU eine wachsende zusätzliche Herausforderung darstellen», befürchtet er.

Mit dem Fachkräftemangel leben lernen

«Auch der Fachkräftemangel bleibt ein zentrales Thema der KMU», ergänzt Alain Conte, Head Corporate & Real Estate Banking Switzerland der UBS: «Viel haben aber gelernt, mit diesem Problem umzugehen. Dies sowohl bei der Rekrutierung wie beim Halten der gesuchten Spezialistinnen und Spezialisten.» Geholfen haben die Weiterbildung der Mitarbeitenden, Investitionen in die Digitalisierung und die Automatisierung sowie flexible Arbeitsmodelle. Die KMU überzeugten zudem oft mit flachen Hierarchien und kurzen Kommunikationswegen sowie der Möglichkeit, den Mitarbeitenden mehr Verantwortung zu geben.

Einige Sorgen der KMU sind aber auch kleiner geworden: So hat die Senkung des Leitzinses von 1,75 auf 1,5 Prozent den Franken etwas geschwächt, was den Schweizer KMU etwas Luft verschafft hat. «Auch die früheren Sorgen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie, wie etwa Betriebsunterbrechungen und Lieferkettenprobleme, sind kleiner geworden», unterstreicht BDO-Experte Kühn. Zudem hätten die Unternehmen gelernt, noch flexibler zu reagieren.

Dienstleister halten sich gut

Die Unterschiede zwischen den verschiedenen KMU-Sektoren waren im ersten Quartal erheblich. In den meisten konsumnahen Dienstleistungsbranchen war das Wachstum nach Beobachtungen der UBS recht robust. «Das verarbeitende Gewerbe sieht sich dagegen mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, etwa das stagnierende Wirtschaftswachstum in Deutschland, die kurzfristige Aufwertung des
Schweizer Frankens sowie die Sorgen, die mit den geopolitischen Spannungen und protektionistischen Handelshemmnissen einhergehen», hält Alain Conte, Head Corporate & Real Estate Banking Switzerland der UBS, fest. Die Schweiz sei auf stabile Handelsbeziehungen zum Ausland angewiesen und Störungen im Aussenhandel spürten Schweizer KMU entweder direkt oder indirekt über die Wertschöpfungsketten.

Nach Untersuchungen der BDO sind Branchen, die stark vom internationalen Handel und Export abhängen, wegen des starken Schweizer Frankens und globaler Unsicherheiten besonders in Mitleidenschaft geraten. Dazu gehörten die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Zudem hatten Branchen, die stark von Energie- und Rohstoffpreisen abhängig sind, mit hohen Kosten zu kämpfen. Die Tourismus- und Gastgewerbebranche sah sich teilweise immer noch mit den Nachwirkungen der Pandemie konfrontiert. Immerhin hat sich die Situation stetig gebessert.

Demgegenüber hielten sich die Branchen, die sich auf den lokalen Markt oder digitale Dienstleistungen konzentrieren, besser. IT-Dienstleister und Unternehmen im Bereich der digitalen Gesundheitsdienste zeigten beispielsweise Resilienz, teilweise begünstigt durch die beschleunigte Digitalisierung und die erhöhte Nachfrage nach digitalen Lösungen.

Was auch kommt, die KMU werden es schaffen

«Keine Frage, die Schweizer KMU-Landschaft darf trotz dem angespannten Marktumfeld positiv in die Zukunft blicken,» sind sich die Experten einig. «Viele Unternehmen haben ihr Geschäftsmodell an die aktuellen Herausforderungen angepasst, beispielsweise die Lieferketten neu ausgerichtet oder den Energieverbrauch reduziert», unterstreicht BDO-Experte Kühn. Stützend wirkten sich auch die in unserem Land tiefen Inflations- und Zinsniveaus aus.

Zuversichtlich ist auch UBS-Experte Alain Conte: «Schweizer KMU haben sich in der Vergangenheit immer wieder durch ein hohes Mass an Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit ausgezeichnet.» Dieses Merkmal sei auch im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz ein wichtiger Vorteil. Vor allem wenn es darum gehe, Produkte, Dienstleistungen, Arbeitsweisen und auch Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und jene Chancen zu nutzen, die sich durch den Wandel durch künstliche Intelligenz ergäben. Künstliche Intelligenz biete auch Chancen zur Effizienzsteigerung, was im Kontext des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die KMU sei.

Für Raiffeisen-Experte Philippe Obrist zeigt ein Blick auf die Lage der Schweizer KMU ein zwiespältiges Bild: «Im Dienstleistungssektor – beispielsweise im ­Tourismus oder in der IT-Branche – ist der Geschäftsgang grundsätzlich erfreulich. Das Umsatzwachstum und die Margen­entwicklung werden von den Unternehmen mehrheitlich als ­robust bezeichnet. Wir sehen auch weiterhin keine Anzeichen für ein Überschwappen der schon länger anhaltenden Industrierezession auf den Dienstleistungssektor.» In der Industrie sei das Umfeld für die KMU hingegen nach wie vor schwierig, insbesondere wegen der anhaltend schwachen Auslandsnachfrage. Insgesamt blieb der KMU-Einkaufsmanagerindex von Raiffeisen im ersten Quartal unter der Wachstumsschwelle von 50.

Nachfolgeproblem wird virulent

Als wären die aktuellen Probleme nicht genug, bald kommt eine neue Sorge auf die KMU zu. Die Herausforderung, die anstehende Unternehmensnachfolge zu regeln. «In den nächsten Jahren ist bei über 90 000 KMU ein Generationswechsel fällig, da mehr als die Hälfte der Inhaberinnen und Inhaber älter sind als 55 Jahre», stellt Stefan Kühn, Leiter Regionaldirektion Zürich-Ostschweiz, Mitglied der Geschäftsleitung und Partner bei BDO, fest. Ein Grossteil von ihnen habe die Nachfolgeplanung aber auf die lange Bank geschoben. Nicht immer könnten die Unternehmen innerhalb der Familie weitergegeben werden, weshalb andere Lösungen in Betracht gezogen werden müssten.

«Diese Situation wiederum eröffnet interessante Möglichkeiten für externe Käuferinnen und Käufer. Eine eta­blierte Firma zu übernehmen, anstatt eine neue zu gründen, könnte in den nächsten Jahren eine interessante Option für viele unternehmerisch Interessierte werden», erwähnt Kühn.

Autor: Fredy Gilgen

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