Mit der Konfitüre verschwindet wohl bald die letzte Hero-Produktion in Lenzburg Der traditionsreiche Lebensmittelkonzern im Besitz der Familie Oetker ist in den letzten Jahren immer wieder umgebaut und erneuert worden. Nun wird die Schliessung des letzten Herstellungsbetriebs am Stammsitz im Aargau geprüft.

Der traditionsreiche Lebensmittelkonzern im Besitz der Familie Oetker ist in den letzten Jahren immer wieder umgebaut und erneuert worden. Nun wird die Schliessung des letzten Herstellungsbetriebs am Stammsitz im Aargau geprüft.

Derzeit sind bei Hero in Lenzburg noch 200 Personen angestellt. (Foto: PD)

Die Zeiten, als sich Hausfrauen und Schüler in den Sommerferien bei der Beerenlese für Hero in den Dörfern rund um Lenzburg das Sackgeld aufbessern konnten, sind schon lange vorbei. Ebenso die grossen Sonderschichten in der Konfitüreproduktion zur Erntezeit. Vermutlich sind nun auch die Tage der letzten Produktionsstätte des Nahrungsmittelherstellers im Ort gezählt.

55 Stellen betroffen

Wie das Unternehmen am Mittwoch einen Bericht der «Aargauer Zeitung» bestätigte, hat man ein Konsultationsverfahren zur Zukunft der Produktion am Standort eingeleitet. Käme es zu einer Schliessung, wären 55 Stellen betroffen.

In dem besagten Werk wird Konfitüre produziert und in kleine Portionen verpackt. Viele Jahre war man im Ort stolz, dass damit Lenzburger Luft auf die Frühstückstische in Hotels rund um die Welt transportiert wurde, wie die Leute zu sagen pflegten. Als Argument für die Aufrechterhaltung des Betriebs dürfte das aber heute nicht mehr reichen. Zumal Hero 1995 von der deutschen Firma Schwartau übernommen wurde, selber ein traditionsreicher Konfitürehersteller. Dieser wiederum gehört Nachkommen des Gründers der Backzutatenfirma Dr. Oetker, ist jedoch mit jenem Konzern nicht verbunden.

Derzeit sind bei Hero in Lenzburg noch 200 Personen angestellt. Falls es tatsächlich zu einer Schliessung käme, würde somit rund ein Viertel der lokalen Belegschaft ihre Arbeitsstelle verlieren. Weltweit beschäftigt Hero heute rund 4000 Personen in 19 Ländern.

Der Name Hero werde aber auch bei einer Schliessung nicht aus Lenzburg verschwinden, schreibt die Firma in einer Mitteilung. Der globale Hauptsitz und die Aktivitäten von Hero Schweiz blieben der Stadt, in der das Unternehmen im Jahr 1886 gegründet wurde, erhalten, heisst es weiter. Der Name Hero geht auf die Initialen der einstigen Besitzer Henckell und Roth zurück.

Mit Dosenerbsen fing es an

Das erste Produkt waren Erbsen in Konservendosen. Letztere wurden zu Beginn bei Hero in der Spenglerei in reiner Handarbeit hergestellt. Aufgegeben wurde eigene Herstellung der Dosen erst im Jahr 1989, wie es im Buch zum 125-Jahre-Jubiläum des Unternehmens heisst.

Aus dem Zentrum des Ortes verschwunden ist die Firma schon 2011, als der besagte Konfitürebereich an den Stadtrand gezogen ist und die Büros in einem einer durchlöcherten Konservendose nachempfundenen Rundbau untergebracht wurden.

Auch die Hero-Büchsenravioli werden mittlerweile von einer Drittfirma anderswo hergestellt. Von den Fabrikations- und Bürogebäuden auf dem ursprünglichen Hero-Areal beim Bahnhof Lenzburg ist kaum etwas stehen geblieben. Statt der «Konservi» hat es dort heute Wohnhäuser.

Überhaupt war bei dem Unternehmen über die Zeit einiges in Bewegung. 1987 wollte Klaus Jacobs (Jacobs Suchard) Hero übernehmen, doch der Verwaltungsrat unter der Leitung des Basler Bankiers Alfred E. Sarasin war dafür nicht zu haben.

Bereits in den 1990er Jahren hat Hero in der Schweiz ihre Teigwarenfabrikation restrukturiert und unter anderem das Bschüssig-Werk («Nudli») in Winterthur geschlossen. Die Fleischverarbeitung wurde in einem Management-Buyout an den Leiter Hermann Bader verkauft und gehört heute zu dessen Traitafina bzw. der Heba Food Holding.

Babynahrung und Snacks

Die erwähnten Veränderungen bei Hero in der Schweiz bedeuten aber nicht etwa einen Niedergang des Unternehmens. Zwar ist der im Geschäftsjahr 2022 erwirtschaftete Umsatz mit 1,2 Milliarden Franken deutlich kleiner als etwa noch 2008, wo er fast 2 Milliarden Franken betrug.

Doch über die letzten Jahrzehnte hat der Konzern sein Portfolio umgebaut und ist in anderen Bereichen und im Ausland gewachsen. So ist heute Baby- und Kleinkindernahrung der mit Abstand wichtigste Bereich, an dritter Stelle nach den Brotaufstrichen folgen gesunde Snacks. Von den Verkäufen entfallen etwa zwei Drittel auf Europa, der Rest auf Nordamerika und Schwellenländer.

Dieter Bachmann, «Neue Zürcher Zeitung»

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